Welch langen Weg die Toten gehen
unweigerlich passiert.
Für uns wurde das also mittwochs zu einer festen Einrichtung. Wir haben uns auf dem Parkplatz am Sportzentrum getroffen, sind in Pals Wagen gestiegen, haben dann in der Avenue die Köpfe eingezogen und es uns eine Stunde lang oder so im Moscow House gutgehen lassen, dann zurück zum Parkplatz und nach Hause. Keinem hat’s geschadet. Ich war zufrieden und indirekt auch Helen, weil ich ihr nun nicht mehr auf die Nerven ging. Oder kaum. Hätte ich es ganz eingestellt, wäre sie womöglich misstrauisch geworden. Aber mir war immer klar, wenn die Zwillinge erst mal da waren, wäre es mit Dolores vorbei, und alles würde sich wieder so einspielen wie vorher auch.
Ich hab doch nicht gedacht, dass es so enden würde.
Sie können sich vorstellen, wie es mir in jener Nacht gegangen ist.
Oder vielleicht auch nicht. Ich war in meinem Wagen auf dem Parkplatz und hab auf Pal gewartet. Nach einer Weile steigt Dolores bei mir ein. Sie meint, irgendwas muss vorgefallen sein. Sie hat ihr Handy dabei und versucht Pal auf seinem Handy anzurufen, aber das ist ausgeschaltet. Dann versucht sie es in seinem Laden. Keiner geht ran. Und dann ruf ich mit ihrem Handy bei Pal zu Hause an und rede mit seiner Frau, die auch nichts von ihm gehört hat.
Es war dämlich, dass ich Dolores’ Handy genommen habe, das sehe ich jetzt ein. Ich hätte den Münzfernsprecher im Sportzentrum benutzen sollen. Aber ich hab mir doch nie träumen lassen … o Scheiße.
Schließlich sind wir zur Avenue gefahren, vorbei am Moscow House, und haben uns ziemliche Sorgen gemacht, als wir einen Polizeiwagen in die Einfahrt abbiegen sahen. Darauf sind wir zum Parkplatz zurück und haben uns getrennt. Und danach, na ja, Sie wissen ja, was danach geschehen ist.
Die letzten Tage, da hab ich den Kopf eingezogen und gehofft, dass nichts rauskommt, was Ihre Leute auf mich aufmerksam machen könnte. Klingt das egoistisch? Ich nehme an, man sollte das in Hinsicht auf Pal sehen, aber der ist jetzt ja aus dem Rennen, nichts kann ihm mehr helfen, oder? Ehrlich gesagt, ich hatte keinen Schimmer, was er vorhatte. Nichts an seinem Verhalten hat darauf hingewiesen. Der arme Kerl muss einen Anfall von geistiger Umnachtung oder so was erlitten haben. Fragen Sie Dolores, die wird Ihnen das Gleiche erzählen. Wir dachten beide, es würde einfach eine Mittwochabendsitzung werden, so wie immer.
Hören Sie, Mr. Dalziel, ich bin ganz ehrlich zu Ihnen. Muss irgendwas davon rauskommen? Ich bin schon völlig fix und fertig, weil ich mir solche Sorgen mache, was das für mich und Helen heißt, wenn sie dahinterkommen sollte. Bitte, Mr. Dalziel, ich mach alles, was Sie wollen, wenn Sie mir nur helfen, das vor Helen geheim zu halten.
17
Lunch im Mastaba (2)
H ätte Tony Kafka den Speisesaal des Mastaba Club zu dieser Mittagszeit gesehen, wären seine Mutmaßungen über die unwirkliche Atmosphäre des Orts bestätigt worden. Dieselben Mastabatoren saßen an denselben Plätzen, dieselben Kellner schritten auf leisen Sohlen dieselben Wege zwischen denselben Tischen ab, und sogar ihre Tabletts trugen Teller mit der gleichen Suppe. Gefilmt und endlos abgespielt, wäre dieses Video ein heißer Favorit für den Turner-Preis gewesen.
»Der Weinhändler ist ein erstaunlicher Mann«, sagte Warlove, während er den Wein einschenkte, »der Besseres verkauft, als er kaufen kann.«
»Das sagen Sie immer, Victor. Jedes Mal«, erwiderte Gedye in seinem trockenen, leblosen Tonfall.
»Tu ich das? Sie klingen ein wenig gereizt, Timothy. Ist irgendwas vorgefallen? Wirklich, zweimal in zwei Tagen das Vergnügen Ihrer Gesellschaft genießen zu dürfen lässt mich vermuten, dass etwas vorgefallen sein muss. Doch hoffentlich nichts Besorgniserregendes. Das verträgt mein zartes Gemüt nicht.«
»Es mussten Maßnahmen ergriffen werden.«
»Mein Gott. Maßnahmen ergreifen. Das hasse ich noch mehr als Sorgen. Und aus Ihrem Mund klingt das wie Grabläuten. Was ist mit der guten, alten Methode der Druckausübung? Die Behörden dort oben sind dafür doch sicherlich ebenso empfänglich wie überall auf der Welt.«
»In diesem Fall nicht.«
»Kommen Sie. Polizisten sind wie Politiker, nur die wenigsten können unbeschadet den Test der moralischen Dreifaltigkeit bestehen. Sie erinnern sich an die moralische Dreifaltigkeit?«
»Sie haben sie früher schon mal erwähnt«, sagte Gedye.
»Fleischeslust, Bestechlichkeit, Eitelkeit. Wenn sie gegen eines immun sind, bekommt man sie immer mit
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