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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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weiblichen Gemeindemitglieder abschrecken, die ihn vom Fleck weg heiraten wollten.
    Also kam ich nach Cothersley. Das war vor drei Jahren. Mit der Erholung war es nicht weit her. Ich bin von Natur aus umtriebig, es dauerte also nicht lange, dass ich bei vielen Dingen aushalf – bei den Gemeindefinanzen, der Programmgestaltung, den Kirchenfesten, solchen Sachen –, bis ich feststellen musste, dass ich eigentlich einen Fulltime-Job hatte, nur dass ich bis auf Essen und Unterkunft nichts dafür bekam.
    Ich redete mir ein, ich müsste ausbrechen und mir wieder eine richtige Arbeit suchen, aber der Gedanke, in die Bank zurückzukehren, machte mich nicht sonderlich an.
    David sagte, »bleib hier, übereil nichts, irgendwas wird sich schon ergeben«. Und so kam es auch!
    Ich kannte Pal als einen der Nachbarn und als Kirchenmitglied, bekam ihn aber kaum zu Gesicht außer bei meinen Runden mit dem Klingelbeutel, bei denen er sich immer als sehr großzügig erwies. Dann war ich eines Tages in der Stadt, um für David ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen, und ich sah im Schaufenster eines Antiquitätenladens eine kleine Spieluhr. Ich ging rein, achtete gar nicht auf den Namen des Ladens, und Pal begrüßte mich, »Ah, hallo, das ist aber schön«, als wären wir alte Freunde. Die Spieluhr war ein wunderbares Ding, frühes neunzehntes Jahrhundert, silbern, mit Beryll und Topas besetzt, und sie spielte eine süße kleine Melodie, die, wie Pal sagte, von Haydn stammte. Aber der Preis lag weit über dem, was ich mir leisten konnte, aber dann bot er mir Rabatt an. Wir plauderten eine Weile über Antiquitäten – Mutter hatte ein Faible dafür gehabt, weshalb ich ein bisschen Bescheid wusste –, und plötzlich fragte er, ob ich nicht an einem Job interessiert sei. Er suchte jemanden, der ihm im Laden half, jemanden, auf den er sich verlassen konnte, wenn er unterwegs auf seinen Einkaufstouren war. Sue-Lynn, seine Frau, half manchmal aus, aber interessierte sich nicht dafür, wie er sagte, und wenn ich es mir vorstellen könnte …
    Ich zögerte keine Sekunde. Der Gedanke, zumindest wieder teilweise unabhängig zu sein, war herrlich. »Ja, bitte«, sagte ich. »Wie viel wollen Sie mir zahlen?« Aber er lachte nur und meinte, wenn ich wirklich Antiquitätenhändlerin werden wollte, müsste ich auf jeden Fall lernen, wie man besser feilscht.
    Ich nahm das Angebot also an. Es war toll, ich genoss die Arbeit, und nach einer Weile wurde ich wohl ziemlich gut darin.
    Das ist jetzt etwas mehr als eineinhalb Jahre her. Der Sex begann drei oder vier Monate später.
    Es war keine Affäre. Es war nie eine Affäre, nicht so wie in
Begegnung
, dem Lieblingsfilm meiner Mutter – zum Schluss kannte ich alle Dialoge auswendig –, nein, so was war es sicherlich nicht. Eines Tages im Laden berührte er mich. Nicht zufällig. Keine Zweideutigkeit. Eine Hand auf … Sie wissen schon. Na ja, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Also berührte ich ihn auch. Er hängte das »Geschlossen«-Schild auf.
    Ich nehme an, das war mein Auf die Plätze, fertig, peng!
    Ich war nicht unerfahren, aber es hatte sich lange keine Gelegenheit mehr ergeben, erst die Pflege meiner Mutter, dann das Leben im Pfarrhaus. Aber das Warten hatte sich gelohnt.
    Es war wie im Job, einfach toll. Ich konnte es richtig genießen. Und nach einer Weile, glaub ich, wurde ich mit Pals Hilfe richtig gut darin.
    Die Dolores-Sache begann so nebenbei. Wir baten den anderen um verschiedene Dinge, und der Dolores-Aufzug war etwas, worum er mich gebeten hatte. Es war wie das Verkleiden als Kinder! Na ja, ein wenig mehr schon, natürlich, aber Sie verstehen, was ich meine. Dann fragte er, ob er einen Freund mitbringen könnte. Ich bekam einen ziemlichen Schrecken, aber er sagte, ich solle mich selbst fragen, ob da Dolly Upshott aus mir spricht oder ich nicht zuerst Dolores konsultieren wollte, denn die wäre ich ja für seinen Freund, der nie etwas von Dolly zu erfahren bräuchte. Also konsultierte ich sie, und obwohl ich es noch immer ein wenig beängstigend fand, war die Aussicht für Dolores doch sehr aufregend und das eigentliche Treffen dann noch aufregender.
    Ich hoffe, ich schockiere Sie nicht, aber Sie sagten ja, je offener ich bin, umso geringer ist die Möglichkeit, dass David irgendwas davon erfahren muss. Das könnte ich nicht ertragen.
    Die Sache entwickelte sich weiter. Pal sagte, der Freund würde sich gern mit mir allein treffen. Er mietete ein Hotelzimmer. Ich ging hin.

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