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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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lächelte. »Er hat ihr außerdem mitgeteilt, daß sie eine Gehhilfe und einen Rollstuhl braucht, und vorgeschlagen, daß ich heute nachmittag zur nächsten Rote-Kreuz-Niederlassung fahre und mal sehe, was man dort für sie tun kann.«
    »Klingt vernünftig.«
    »Ja, natürlich, aber seit wann spielt Vernunft im Leben meiner Mutter eine Rolle? Sie hat mir erklärt, wenn ich ihr solche Geräte ins Haus bringe, wird sie sie nicht benützen und nie wieder ein Wort mit mir reden. Und das ist ihr Ernst. Sie sagt, sie würde lieber auf allen vieren herumkriechen, als bei den Leuten den Eindruck erwecken, sie hätte ihr Haltbarkeitsdatum überschritten.« Sie seufzte müde. »Falls Sie irgendeine rettende Idee haben, schreiben Sie uns bitte eine Postkarte an die Adresse der Irrenanstalt Broxton House. Was zum Teufel soll ich tun?«
    »Warten«, meinte er.
    »Worauf?«
    »Auf eine Wunderheilung oder die Bitte um eine Gehhilfe. Sie ist nicht dumm, Maggie. Wenn sie ihren Ärger über Sie, mich und den Arzt überwunden hat, wird die Logik siegen. Seien Sie inzwischen nett zu ihr. Sie hat sich heute morgen völlig für Sie verausgabt, und ein bißchen Dankbarkeit und liebevolle Fürsorge werden ihr wahrscheinlich schneller wieder auf die Beine helfen als alles andere.«
    »Ich hab ihr schon gesagt, daß ich ohne sie aufgeschmissen gewesen wäre.«
    Er sah sie belustigt an. »Wie die Mutter so die Tochter, wie?«
    »Ich verstehe nicht.«
    » Sie ist nicht imstande, ›es tut mir leid‹ zu sagen. Und Sie bringen es nicht über sich, danke zu sagen.«
    »Ach so!« Sie verstand. »Deshalb also sind Sie vor zwei Stunden beleidigt abgedampft. Sie wollten Dankbarkeit. Wie dumm von mir. Ich dachte, Sie wären mir böse, weil ich gesagt habe, Sie sollten sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.« Sie lächelte ein wenig zaghaft. »Also dann, vielen Dank, Nick, ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar für Ihre Hilfe.«
    Er verbeugte sich zackig vor ihr. »Gern geschehen, Miss Jenner«, erwiderte er im breitesten Dialekt. »Aber eine Dame wie Sie braucht einem Mann nicht dafür zu danken, daß er seine Pflicht tut.«
    Sie sah ihn einen Moment lang verwirrt und forschend an, bevor ihr aufging, daß er sich über sie lustig machte. »Ach, verdammt noch mal, hauen Sie ab!« rief sie wütend und versetzte ihm einen Fausthieb aufs Kinn, ehe sie in den Flur hinauslief und die Tür krachend hinter sich zuschlug.
     
    Zwei Beamte der Polizei von Dartmouth hörten sich mit Interesse an, was der Franzose berichtete, während seine Tochter in stummer Verlegenheit neben ihm stand und unablässig an ihrem Haar zupfte. Der Mann sprach gut Englisch und erklärte sorgfältig und genau, wo er am vergangenen Sonntag mit seinem Boot gewesen war. Er sei hergekommen, erklärte er, weil er in den englischen Zeitungen gelesen habe, daß die Frau, die man per Hubschrauber geborgen hatte, ermordet worden war. Er legte den Telegraph vom Mittwoch auf den Tisch, für den Fall, daß sie nicht wissen sollten, von welchem Mord er sprach.
    »Mrs. Kate Sumner«, sagte er. »Der Fall ist Ihnen bekannt?«
    Als sie das bestätigten, nahm er aus einer Plastiktüte eine Videokassette und legte sie neben die Zeitung. »Meine Tochter hat an dem bewußten Tag einen Mann gefilmt. Verstehen Sie - ich weiß nichts über diesen Mann. Er ist vielleicht - wie sagt man - unschuldig. Aber ich bin besorgt.« Er schob die Kassette über den Schreibtisch. »Was der Mann da treibt, ist nicht gut. Spielen Sie die Kassette ab, ja? Vielleicht ist es wichtig.«
     
    Hardings Handy war ein raffiniertes kleines Gerät, mit automatischer Umschaltung auf ein fremdes Netz, falls man sich im Ausland befand. Zum Gebrauch waren eine SIM-Karte und eine PIN-Nummer nötig, aber da beides eingegeben worden war, vermutlich von Harding selbst, war der Apparat funktionsbereit. Sonst hätte Maggie ihn ja auch nicht benützen können. Die Karte hatte eine große Speicherkapazität und konnte außer Telefonnummern und Nachrichten auch noch die Nummern der letzten zehn ein- und ausgegangenen Anrufe speichern.
    Auf der Digitalanzeige stand »5 unbeantwortete Anrufe« und »eine Nachricht erwartet Sie«. Mit einem vorsichtigen Blick zur Tür ging Ingram ins Menü, suchte »Voice mail« gefolgt von »Mail box«, drückte den Einschaltknopf und hielt den Apparat ans Ohr. Er strich sich vorsichtig über sein schmerzendes Kinn, während er lauschte, und fragte sich, ob Maggie eine Ahnung hatte, was für eine Kraft in

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