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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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eine kleine Geröllawine runtergegangen«, sagte er. »Ich bin darauf aufmerksam geworden, weil es gleich links von der Stelle war, wo Harding Miss Jenner zufolge plötzlich vor ihr auftauchte. Bei diesen Schieferwänden hier muß man immer mit Steinschlägen rechnen, deshalb ja auch die vielen Warnschilder, und mir scheint, daß dieser Geröllrutsch erst vor kurzem niedergegangen ist.«
    Carpenter starrte auf den Hang. »Sie glauben, der Rucksack befindet sich unter dem Geröll?«
    »Sagen wir so, Sir, ich kann mir nicht vorstellen, wie man etwas schneller und bequemer verschwinden lassen könnte als mit Hilfe eines kleinen Erdrutschs. Schwierig wäre es bestimmt nicht. Man tritt einen lockeren Felsbrocken los, und im Nu deckt eine Geröllawine alles zu, was man gern verstecken möchte. Kein Mensch würde etwas davon merken. Solche Steinschläge kommen alle Tage vor. Die kleinen Spenders hatten zum Beispiel einen ausgelöst, als ihnen das Fernglas ihres Vaters aus der Hand fiel, und ich habe fast den Verdacht, daß Harding dadurch überhaupt erst auf die Idee kam.«
    »Mit anderen Worten, er hat es gleich am Sonntag getan?«
    Ingram nickte.
    »Und heute morgen ist er zurückgekommen, um sich zu vergewissern, daß alles unberührt ist?«
    »Ich halte es für wahrscheinlicher, daß er den Rucksack holen wollte, Sir.«
    Carpenter sah Ingram mit seinem grimmigen Stirnrunzeln an. »Wieso hatte er ihn dann nicht bei sich, als Sie ihn heute morgen gesehen haben?«
    »Weil das Schiefergeröll in der Sonne getrocknet und hart geworden ist. Ich glaube, er wollte sich gerade auf die Suche nach einer Schaufel machen, als er auf Miss Jenner stieß.«
    »Das ist also Ihre tolle Theorie?«
    »Ja, Sir.«
    »Sie sind so eine Art Hobbytheoretiker, wie?« Carpenters Stirnrunzeln vertiefte sich. »Inspector Galbraith haben Sie mit Ihren Theorien schon so kribbelig gemacht, daß er durch halb Hampshire jagt.«
    »Das besagt nicht, daß sie falsch sind, Sir.«
    »Es besagt aber auch nicht, daß sie richtig sind. Eines unserer Teams hat am Montag dieses ganze Gebiet hier abgesucht und absolut nichts gefunden.«
    Ingram wies mit einer kurzen Kopfbewegung zur nächsten Bucht. »Sie haben bei Egmont Bight gesucht, Sir, und zu dem Zeitpunkt hat sich keiner für Steven Hardings Aktivitäten interessiert, wenn ich das mal sagen darf.«
    »Hm. Diese Suchmannschaften kosten Geld, junger Freund, und ich hätte gern etwas mehr Gewißheit, ehe ich das Geld des Steuerzahlers für Theorien ausgebe.« Carpenter starrte aufs Meer hinaus. »Ich könnte es ja noch verstehen, wenn er an den Schauplatz des Verbrechens zurückgekommen wäre, um noch einmal die Erregung zu erleben - so was wäre einem Mann wie ihm durchaus zuzutrauen -, aber Sie sagen, daß es ihm darum gar nicht ging.«
    Ingram hatte zwar nichts dergleichen gesagt, aber er wollte sich deswegen nicht streiten. Es war immerhin möglich, daß der Superintendent recht hatte. Vielleicht war Harding genau deswegen hierher zurückgekommen. Seine eigene Lawinentheorie wirkte läppisch neben der ungeheuerlichen Vorstellung, daß ein Psychopath an den Ort seines Verbrechens zurückgekehrt war, um sich noch einmal an seiner Tat zu ergötzen.
    »Also?« fragte Carpenter.
    Ingram lächelte verlegen. »Ich hab auf jeden Fall mal einen Spaten mitgebracht, Sir«, sagte er. »Er liegt hinten in meinem Jeep.«

21
     
     
    Galbraith stand auf und trat an eines der Fenster mit Blick auf die Straße. Die kleine Menschenmenge von zuvor hatte sich inzwischen zerstreut, nur ein paar ältere Frauen standen noch schwatzend auf dem Bürgersteig und warfen hin und wieder einen Blick zum Haus. Er beobachtete sie ein paar Minuten lang und beneidete sie um ihr ganz normales Leben. Wie oft mußten sie sich die schmutzigen kleinen Geheimnisse von Mordverdächtigen anhören? Manchmal, wenn er die Bekenntnisse von Menschen wie Sumner hörte, kam er sich wie ein Priester vor, der lediglich durch geduldiges Zuhören eine Art Segen erteilte. Aber er besaß weder die Macht, noch hatte er das Verlangen, Sünden zu vergeben, und er fühlte sich unweigerlich herabgewürdigt durch das, was diese Menschen ihm heimlich anvertrauten.
    Er drehte sich wieder zu Sumner um. »Es wäre also richtiger zu sagen, daß Ihre Ehe eine Form sexueller Sklaverei war? Ihre Frau war bereit, alles zu tun, damit ihre Tochter in der Geborgenheit aufwachsen konnte, die sie selbst nie gekannt hatte, und Sie konnten sie damit wunderbar erpressen.«
    »Ich

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