Wellenbrecher
»Ich habe aber auch schwer geschuftet. Ich glaube, der Boden hatte seit vier Jahren keinen Schrubber mehr gesehen, seit meine Mutter Mrs. Cottrill entlassen mußte, weil wir sie uns nicht mehr leisten konnten.« Sie sah sich kritisch um. »Aber Sie haben recht. Ein frischer Anstrich würde einen Riesenunterschied machen. Ich habe mir gedacht, ich kaufe gleich heute nachmittag die Farbe und streiche die Küche übers Wochenende. Das wird nicht lange dauern.«
Er sah ihren strahlenden Optimismus und dachte, daß er ihnen schon längst mal eine Flasche Brandy hätte vorbeibringen sollen. Und er hätte es auch getan, wenn ihm bewußt gewesen wäre, daß sie und ihre Mutter sich vier Jahre lang keinen Tropfen Alkohol gegönnt hatten. Man nannte Alkohol, so schädlich er auch sein konnte, nicht umsonst ein Wiederbelebungsmittel.
Er warf einen Blick zur Decke hinauf, die fast ganz mit Spinnweben überzogen war. »Die müssen Sie aber erst wegmachen, sonst fällt Ihnen die Farbe gleich wieder runter. Haben Sie eine Leiter?«
»Das weiß ich gar nicht.«
»Ich habe eine zu Hause«, sagte er. »Ich bringe sie heute abend vorbei, wenn ich mit allem fertig bin. Würden Sie dafür Ihren Farbenkauf so lange zurückstellen, daß ich noch Ihre Aussage über Hardings Angriff auf Sie aufnehmen kann? Ich muß ihn um fünf vernehmen, und ich hätte vorher gern Ihre Version der Geschichte.«
Sie warf einen nervösen Blick auf Bertie, der sich auf Ingrams Kommando neben dem Herd niedergelassen hatte. »Ich weiß nicht. Ich habe über das nachgedacht, was Sie gesagt haben, und jetzt habe ich Angst, er wird behaupten, Bertie sei außer Kontrolle gewesen und hätte ihn angegriffen. Wenn er damit durchkommt, muß ich mit einer Anklage wegen Haltung eines gefährlichen Hundes rechnen, und Bertie muß eingeschläfert werden. Meinen Sie nicht, es wäre besser, die Sache fallenzulassen?«
Nick zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Er wird wahrscheinlich sowieso Gegenanzeige erstatten, Maggie. Das ist seine beste Verteidigung, gegen alles, was Sie möglicherweise vorbringen werden.« Er hielt einen Moment inne. »Aber wenn Sie ihm die Chance geben, die Initiative zu ergreifen und als erster Anzeige zu erstatten, dann geben Sie Ihren Vorteil aus der Hand. Möchten Sie das?«
»Nein, natürlich nicht, aber Bertie war ja wirklich nicht mehr zu bändigen. Er hat diesem Idioten die Zähne in den Arm geschlagen und nicht mehr losgelassen.« Sie warf einen wütenden Blick auf ihren Hund, dann stach sie so heftig mit dem Messer in eine Tomate, daß der Saft nach allen Seiten spritzte. »Ich mußte ihn mit der Leine schlagen, um ihn wegzukriegen, und das werde ich nicht leugnen können, wenn Harding mich anzeigt.«
»Wer hat zuerst angegriffen? Bertie oder Harding?«
»Ich wahrscheinlich. Ich habe den Kerl angebrüllt, und da hat er mich geschlagen, und im nächsten Moment hing Bertie an seinem Arm wie ein Riesenblutegel.« Sie lachte ganz unerwartet. »Wenn man es so im nachhinein betrachtet, ist es richtig komisch. Ich dachte, die beiden führen einen Tanz auf, bis plötzlich roter Speichel aus Berties Maul triefte. Ich konnte einfach nicht verstehen, was Harding wollte. Erst erschreckt er mich zu Tode, indem er plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht, dann geht er wie ein Wilder auf Stinger los, dann schlägt er mich, und auf einmal tanzt er Boogie mit meinem Hund. Ich habe gedacht, ich bin im Irrenhaus.«
»Was glauben Sie, warum er Sie geschlagen hat?«
Sie lächelte verlegen. »Vermutlich weil ich ihn wütend gemacht habe. Ich hab gesagt, er wäre pervers.«
»Das ist keine Entschuldigung dafür, Sie zu schlagen. Eine verbale Beleidigung rechtfertigt keinen tätlichen Angriff, Maggie.«
»Vielleicht sollte beides gleich schwer wiegen.«
»Der Mann hat Sie geschlagen!« Er musterte sie verwundert. »Warum nehmen Sie ihn in Schutz?«
»Weil ich, wenn ich jetzt so daran zurückdenke, unglaublich unverschämt war. Ich habe ihm alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf geworfen und gesagt, Sie würden ihn fertigmachen, wenn Sie wüßten, daß er dort sei. Im Grunde ist es Ihre Schuld. Ich hätte nicht solche Angst gehabt, wenn Sie mich nicht gestern über ihn ausgefragt hätten. Sie haben mich überhaupt erst auf den Gedanken gebracht, er könnte gefährlich sein.«
» Mea culpa «, sagte er milde.
»Sie wissen genau, was ich meine.«
Er nickte mit ernster Miene. »Was haben Sie sonst noch gesagt?«
»Ach, nichts. Ich habe nur
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