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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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DNA-Tests, die an ihr vorgenommen werden, helfen wirklich weiter.«
    »Machen Sie sich da mal keine zu großen Hoffnungen«, warnte der Inspector. »Wasser wäscht alle Spuren weg. Der Pathologe hat Abstriche gemacht, aber er ist nicht sehr optimistisch, daß sie was bringen werden. Entweder war sie zu lange im Wasser und alles, was für uns von Nutzen hätte sein können, ist weggespült worden, oder der Vergewaltiger hat ein Kondom getragen.«
    Er war zweiundvierzig, ein sympathisch wirkender Mann mit kurzem, rotem Haar und einem freundlichen sommersprossigen Gesicht, das ihn jünger und eher harmlos wirken ließ. Eine Harmlosigkeit, die über eine wache Intelligenz hinwegtäuschte, mit der schon mancher, der so töricht gewesen war, ihn aufgrund seiner äußeren Erscheinung zum Dummkopf abzustempeln, unliebsame Bekanntschaft gemacht hatte.
    »Wie lange ist lange?« erkundigte sich Ingram mit echtem Interesse. »Sagen wir mal so, woher weiß der Pathologe, daß sie achthundert Meter geschwommen ist? Das ist eine sehr präzise Schätzung für diese unberechenbaren Gewässer.«
    »Er hat dabei den Zustand der Leiche, die vorherrschenden Wind- und Strömungsverhältnisse sowie die Tatsache in Betracht gezogen, daß sie noch gelebt haben muß, als sie die wettergeschützte Zone am Egmont Point erreichte«, sagte John Galbraith. Er öffnete seine Aktentasche und entnahm ihr ein Blatt Papier. »Opfer ertrank etwa zum Zeitpunkt, als die Flut ihren Höchststand erreicht hatte. Das war am Sonntag, dem 10. August, um ein Uhr zweiundfünfzig britischer Sommerzeit«, zitierte er aus dem Dokument. »Verschiedene Hinweise, wie zum Beispiel Anzeichen von Unterkühlung, die Tatsache, daß ein Boot mit Kiel nicht zu nahe an die Felsen hätte heranfahren können, und außerdem die Strömungen rund um St.-Alban’s-Kap, legen den Schluß nahe, daß sie« - er tippte mit dem Finger auf das Blatt - »mindestens achthundert Meter westsüdwestlich des Fundorts der Leiche ins Meer geworfen wurde.«
    »Okay, akzeptieren wir dieses Minimum von achthundert Metern. Das heißt aber doch noch lange nicht, daß sie tatsächlich achthundert Meter weit geschwommen ist. An diesem Teil der Küste gibt es starke Strömungen, sie könnte nach Osten abgetrieben worden sein. Tatsächlich wäre sie dann nur etwa zweihundert Meter geschwommen.«
    »Ich nehme an, daß diesen Umständen Rechnung getragen wurde.«
    Ingram runzelte die Stirn. »Wieso fanden sich dann Symptome von Unterkühlung bei ihr? Wir hatten die ganze letzte Woche nur leichten Wind, und die See war ruhig. Unter diesen Bedingungen könnte ein durchschnittlich guter Schwimmer zweihundert Meter in fünfzehn bis zwanzig Minuten zurücklegen. Außerdem war die Wassertemperatur sicherlich um einige Grad höher als die Lufttemperatur bei Nacht, sie hätte sich also eher am Strand eine Unterkühlung geholt als im Wasser. Besonders wenn sie nackt war.«
    »Das hieße, daß die Todesursache nicht Ertrinken war.«
    »Genau.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Galbraith.
    Nick Ingram schüttelte den Kopf. »Das weiß ich selbst nicht so genau, es fällt mir nur schwer, den Zustand der Leiche, so wie ich sie gesehen habe, mit dem Befund des Pathologen in Einklang zu bringen. Als letztes Jahr bei Swanage eine Leiche aus dem Wasser gezogen wurde, war der ganze Körper voller Blutergüsse und auf doppelte Größe angeschwollen.«
    Der Inspector sah wieder auf sein Blatt Papier. »Okay, wir haben hier einen zwingenden Zeitfaktor. Der Pathologe sagt uns, die Todeszeit muß mit dem Zeitpunkt des Höchstwasserstands zusammengefallen sein, sonst wäre die Leiche nicht bei ablaufendem Wasser auf dem Strand liegengeblieben. Er argumentiert ferner, daß die Leiche von Unterströmungen erfaßt und nach St.-Alban’s-Kap hinausgetragen worden wäre, wenn die Frau nicht noch gelebt hätte, als sie Egmont Point erreichte. Nehmen Sie diese beiden Punkte zusammen, dann haben Sie die Antwort. Um es einfach auszudrücken, sie muß wenige Meter vor der Küste gestorben sein, und ihre Leiche wurde kurz danach angespült.«
    »Das ist sehr traurig«, sagte Ingram, der an die kleine Hand denken mußte, die sich in der Gischt hin und her bewegt hatte.
    »Ja«, stimmte Galbraith zu. Er hatte die Leiche der jungen Frau im Leichenschauhaus gesehen und war über diesen sinnlosen Tod ebenso erschüttert wie Ingram. Er fand den Constable sympathisch. Aber Polizeibeamte, die Gefühle zeigten, waren ihm schon immer die

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