Wellenbrecher
spektakulären Aufgaben der Polizei zu befassen, für 95 Prozent der Bevölkerung die einzigen, die zählten. Die Leute schliefen ruhiger in dem Wissen, daß Constable Ingram keine Toleranz gegenüber aggressiven Trunkenbolden, Wandalen und kleinen Spitzbuben kannte.
Die wirklich schlimmen Geschichten wurden meistens von außen hereingetragen. Die Tote am Strand scheint ein gutes Beispiel dafür zu sein, dachte er, als er am Montag, dem 11. August, um 12 Uhr 45 einen Anruf aus Winfrith bekam. Die Behörde des Coroners in Poole hatte nach der Obduktion Ermittlungen wegen Mordverdachts angeordnet, und man teilte Ingram mit, daß er innerhalb der nächsten Stunde mit der Ankunft eines Inspectors und eines Sergeants der Kripo direkt vom Präsidium rechnen könne. Ein Team der Spurensicherung war bereits losgeschickt worden, um den Strand bei Egmont Bight abzusuchen; Ingram erhielt die Anweisung, dort zu bleiben, wo er war.
»Ich glaube nicht, daß sie was finden werden«, sagte er hilfsbereit. »Ich hab mich da gestern schon mal umgesehen, aber es war ziemlich klar, daß sie angespült worden ist.«
»Ich würde vorschlagen, Sie überlassen das uns«, sagte der Mann am anderen Ende der Leitung in kühlem Ton.
Ingram zuckte die Achseln. »Woran ist sie gestorben?«
»Sie ist ertrunken«, antwortete der Mann kurz. »Sie wurde von einem Boot aus über Bord geworfen, nachdem ein Versuch, sie mit bloßen Händen zu erwürgen, fehlgeschlagen war. Der Pathologe schätzt, daß sie noch ungefähr achthundert Meter weit geschwommen ist, bevor sie aus Erschöpfung aufgab. Sie war in der vierzehnten Woche schwanger. Der Mörder hat sie erst vergewaltigt und dann über Bord geworfen.«
Ingram war entsetzt. »Was muß das für ein Mensch sein, der so was tut?«
»Ein äußerst unangenehmer auf jeden Fall. Wir sehen uns in einer Stunde.«
Griffiths zog eine Reihe von Nieten mit dem Namen Kate Sumner - die Frau war in keinem der Krankenhäuser in Dorset und Hampshire bekannt. Erst als sie routinemäßig in Winfrith nachfragte, ob man dort irgendwelche Informationen über den Verbleib einer kleinen blonden Frau von einunddreißig Jahren habe, die allem Anschein nach in den letzten achtundvierzig Stunden aus Lymington verschwunden war, begannen die einzelnen Teile des Puzzles sich zusammenzufügen.
Die beiden Kriminalbeamten trafen pünktlich zu ihrer Besprechung mit Constable Ingram ein. Der Sergeant, ein arroganter Streber mit Ambitionen auf eine Karriere bei Scotland Yard, fiel bei seinem Kollegen vom Lande mit Pauken und Trompeten durch. Ingram konnte sich später nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern. Er redete wie ein Maschinengewehr »bezüglich einer weitreichenden Untersuchung«, bei der »Tempo von entscheidender Bedeutung« sei, um zu verhindern, daß der Mörder Beweismaterial verschwinden ließ und/oder ein zweites Mal zuschlug. Alle Jachthäfen, Jachtklubs und Häfen der Umgebung seien »Zielbereich« der Ermittlungen über das Opfer und/oder ihren Mörder. Die Identifizierung des Opfers habe »oberste Priorität«. Sie hätten einen möglichen Hinweis auf eine vermißte weibliche Person, aber solange der Ehemann nicht ein Foto vorgelegt oder die Tote persönlich identifiziert hätte, seien alle Spekulationen verfrüht. Zweitwichtigster Punkt auf der Tagesordnung sei die Auffindung des Boots, aus dem sie ins Meer geworfen worden war, damit die Spurensicherung es von oben bis unten auseinandernehmen könne, um eventuelle Haut- und sonstige Körperproben sicherzustellen, die den Nachweis einer Verbindung mit der Toten ermöglichten. »Wir brauchen nur einen Verdächtigen«, schloß er, »den Rest erledigen die DNA-Untersuchungen.«
Ingram zog eine Augenbraue hoch, als der Monolog endete, sagte aber nichts.
»Haben Sie das alles verstanden?« fragte der Sergeant ungeduldig.
»Ich glaub schon, Si-rr«, antwortete er im breitesten ländlichen Dialekt. »Wenn Sie auf einem Boot Haare von ihr finden, dann heißt das, daß der Eigner der Vergewaltiger ist.«
»So in etwa.«
»Das ist wirklich erstaunlich, Si-rr«, murmelte Ingram.
»Sie scheinen nicht überzeugt zu sein«, bemerkte Inspector Galbraith, der Ingrams Darbietung mit sichtlicher Belustigung verfolgte.
Er zuckte die Achseln und kehrte zu seiner normalen Sprechweise zurück. »Solche Körperproben würden doch lediglich beweisen, daß sie mindestens einmal an Bord des betreffenden Bootes war. Eine Vergewaltigung beweisen sie nicht. Nur die
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