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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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angerufen, um mir mitzuteilen, daß meine Schwiegertochter tot ist.«
    Er setzte sich. »Hat er Ihnen auch gesagt, wie sie ums Leben gekommen ist?«
    Sie nickte. »Ich war entsetzt. Wenn ich ehrlich bin, muß ich allerdings sagen, daß ich gleich, als ich Hannahs Bild im Fernsehen sah, die Befürchtung hatte, es sei etwas Schlimmes passiert. Meine Schwiegertochter hätte das Kind nie allein gelassen. Sie hat es abgöttisch geliebt.«
    »Warum haben Sie nicht selbst die Polizei angerufen, als Sie Hannah auf dem Bild erkannten?« fragte er neugierig. »Warum haben Sie Ihren Sohn gebeten, das zu tun?«
    Sie seufzte. »Weil ich mir immer wieder gesagt habe, daß es unmöglich Hannah sein könnte - ich meine, es erschien mir so unwahrscheinlich, daß gerade dieses Kind ganz allein in einer fremden Stadt herumstreunen sollte. Und weil ich befürchtete, falls es nicht Hannah wäre, würde der Eindruck entstehen, ich hätte nur Ärger machen wollen. Das wollte ich unbedingt vermeiden. Ich habe immer wieder in Langton Cottage angerufen, aber erst als mir gestern morgen klarwurde, daß sich niemand melden würde, habe ich die Sekretärin meines Sohns angerufen, die mir sagte, wo er zu erreichen war.«
    »Wieso haben Sie befürchtet, Ärger zu machen?«
    Sie antwortete nicht gleich. »Sagen wir einfach, Kate hätte nicht an die Lauterkeit meiner Motive geglaubt, wenn ich mich geirrt hätte. Wissen Sie, ich habe Hannah nicht mehr gesehen, seit sie vor einem Jahr von hier weggezogen sind, deshalb war ich mir meiner Sache einfach nicht hundertprozentig sicher. Kinder in diesem Alter verändern sich ja so schnell.«
    Eine sehr überzeugende Antwort war das nicht, aber Galbraith ließ es für den Moment dabei bewenden. »Sie wußten also nicht, daß Ihr Sohn in Liverpool war?«
    »Nein, und das war ganz normal. Ich erwarte nicht, daß er mich über sein Tun und Lassen auf dem laufenden hält. Er ruft mich einmal in der Woche an und kommt gelegentlich auf der Heimfahrt nach Lymington vorbei, aber jeder von uns führt sein eigenes Leben.«
    »Aber das ist doch sicher eine ziemliche Veränderung gegenüber früher, nicht wahr?« meinte Galbraith. »Haben Sie nicht vor seiner Ehe mit ihm unter einem Dach gelebt?«
    Sie lächelte. »Und Sie glauben, das hätte bedeutet, daß ich immer wußte, was er tat? Sie haben offensichtlich keine erwachsenen Kinder, Inspector. Es ist völlig gleich, ob man mit ihnen zusammenlebt oder nicht, man kann sie nicht kontrollieren.«
    »Ich habe zwei Kleine von fünf und sieben, die schon jetzt ein aufregenderes gesellschaftliches Leben führen, als ich es je hatte. Es wird also noch schlimmer?«
    »Das hängt davon ab, ob man ihr Selbständigwerden fördert. Ich denke, je mehr Freiraum man ihnen läßt, desto mehr schätzen sie einen, wenn sie älter werden. Wie dem auch sei, mein Mann ließ das Haus vor ungefähr fünfzehn Jahren umbauen und in zwei abgeschlossene Wohnungen aufteilen. Er und ich lebten unten, William oben. Es konnten Tage vergehen, ohne daß wir einander zu Gesicht bekamen. Jeder von uns führte sein eigenes Leben, und daran änderte sich auch nach dem Tod meines Mannes kaum etwas. Meine Behinderung wurde natürlich zunehmend schlimmer, aber ich hoffe, ich war meinem Sohn niemals eine Last.«
    Galbraith lächelte. »Sicher nicht, aber für Sie muß es doch eine gewisse Belastung gewesen sein zu wissen, daß er eines Tages heiraten würde und daß sich dadurch alles ändern würde.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil. Ich hoffte die ganze Zeit, er würde endlich eine Familie gründen, aber er zeigte nie die geringste Neigung dazu. Er segelte mit Leidenschaft und verbrachte seine freie Zeit meistens draußen auf dem Boot. Er hatte Freundinnen, aber es war nie etwas Ernstes.«
    »Haben Sie sich gefreut, als er Kate heiratete?«
    Sie schwieg sekundenlang. »Weshalb hätte ich mich denn nicht freuen sollen?«
    Galbraith zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Es interessiert mich nur.«
    Ihre Augen blitzten plötzlich verschmitzt. »Er hat Ihnen wohl erzählt, daß ich der Meinung war, Kate wäre nur hinter dem Geld her gewesen?«
    »Ja.«
    »Na schön«, erwiderte sie. »Ich lüge nicht gern.« Sie hob ihre knotige Hand zum Gesicht, um eine Haarsträhne wegzustreichen. »Es hätte sowieso wenig Sinn, so zu tun, als wäre ich über diese Heirat glücklich gewesen, wenn Ihnen jeder hier sagen wird, daß es nicht so war. Sie war wirklich hinter dem Geld her wie der Teufel hinter der

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