Wellenbrecher
Harding beileibe nicht der Frauenbeglücker war, als den der Hafenmeister ihn dargestellt hatte, sondern ganz im Gegenteil ein einsamer Onanist.
Im Spind neben dem Bett entdeckte man eine kleine Menge Cannabis und ein Sortiment unausgepackter Kondome sowie drei aufgerissene Kondomschächtelchen ohne Inhalt. Benutzte Kondome wurden keine gefunden. Jedes Behältnis auf dem Boot wurde nach Benzodiazepin, Rohypnol und anderen Schlafmitteln durchsucht. Man fand keine Spur. Trotz einer umfassenden Suche nach pornographischen Fotos und Zeitschriften wurde nichts dergleichen entdeckt. Nachfolgende Durchsuchungen von Hardings Auto und Wohnung in London erwiesen sich als ebenso fruchtlos. In der Wohnung fanden sich zwar fünfunddreißig Pornofilme, aber alle waren auf dem öffentlichen Markt zu kaufen. Man erwirkte einen Durchsuchungsbefehl für Tony Bridges’ Haus in Lymington, doch auch dort wurde nichts gefunden, was Steven Harding belastet oder der Polizei erlaubt hätte, ihn oder andere Personen mit Kate Sumner in Verbindung zu bringen. Trotz weitreichender Ermittlungen ergab sich kein Hinweis darauf, daß Harding noch andere Räumlichkeiten nutzte, und abgesehen von einer einzigen Zeugin, die ihn am Samstag vormittag vor Tesco’s Supermarkt im Gespräch mit Kate Sumner gesehen hatte, meldete sich niemand, der die beiden zusammen beobachtet hatte.
Finger- und Handabdrücke bewiesen, daß Kate und Hannah Sumner auf der Crazy Daze gewesen waren, aber zu viele der Abdrücke waren von anderen überlagert, zum Teil auch von Steven Hardings, so daß die Spurensicherung nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob der Besuch erst in jüngster Zeit stattgefunden hatte. Beträchtliches Interesse erregte die Tatsache, daß fünfundzwanzig verschiedene Sätze von Fingerabdrücken - mindestens fünf davon offensichtlich von Kindern - im Salon gesichert wurden. Einige deckten sich mit Abdrücken, die in Bridges’ Haus abgenommen worden waren, aber nur wenige davon fanden sich in der Kabine. Harding hatte also nachweislich Gäste an Bord gehabt, obwohl es weiterhin ein Rätsel war, auf welche Art er seine Gäste unterhalten hatte. Harding behauptete, er lade häufig andere Segler auf sein Boot ein, wenn er in einem Hafen anlege, und der Polizei blieb wegen Mangels an Gegenbeweisen nichts anderes übrig, als diese Erklärung zu akzeptieren. Dennoch blieb ein gewisser Argwohn zurück.
Angesichts des pathologischen Befundes über Kate Sumners letzte Mahlzeit sah die Polizei eine Möglichkeit, Harding anhand der Äpfel und des Käserests in der Pantry zu überführen, bis der Pathologe erklärte, daß es unmöglich sei, die genaue Herkunft halbverdauter Nahrung festzustellen. Ein Golden Delicious von Tesco’s, durch Magensäfte zersetzt, zeigte die gleichen chemischen Merkmale wie ein Golden Delicious von Sainsbury’s Supermarkt. Selbst das Kinderlätzchen erwies sich als untaugliches Beweisstück, als sich anhand der Fingerabdrücke auf der Kunststoffoberfläche zeigte, daß zwar Steven Harding und zwei unidentifizierte andere Personen es angefaßt hatten, nicht aber Kate Sumner.
Aufgrund des Berichts von Nick Ingram widmete man dem einzigen Rucksack, der auf dem Boot entdeckt wurde - einem schwarzen, dreieckigen Modell mit ein paar Bonbonpapierchen auf dem Boden - besondere Aufmerksamkeit. Weder Paul noch Danny Spender hatten eine genaue Beschreibung liefern können - Danny: »Es war ein großer schwarzer...«; Paul: »Er war ziemlich groß - grün, glaube ich...« Aber es ließ sich nicht feststellen, ob es sich um denselben Rucksack handelte, den die beiden Jungen gesehen hatten, geschweige denn, was er möglicherweise am Sonntag morgen enthalten hatte. Steven Harding, höchst verwundert über das Interesse der Polizei an seinem Rucksack, behauptete, er sei natürlich der, den er am Sonntag dabeigehabt hätte. Er habe ihn oben am Hang stehenlassen, weil eine Literflasche Wasser darin gewesen wäre und er keine Lust gehabt hätte, den schweren Rucksack zu den Bootshäusern hinunterzutragen, nur um ihn dann anschließend wieder hinaufschleppen zu müssen. Er fügte hinzu, Constable Ingram habe ihn nicht nach einem Rucksack gefragt, darum habe er ihn auch nicht erwähnt.
Den sprichwörtlichen Nagel zum Sarg der polizeilichen Ermittlungen lieferte die Aussage einer Kassiererin aus dem Supermarkt in der High Street in Lymington, die am vergangenen Samstag Dienst gehabt hatte.
»Klar kenne ich Steve«, sagte sie, als man ihr sein Foto
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