Wellenbrecher
armen Seele, aber das war nicht der Grund, warum ich ihn damals für verrückt gehalten habe, als er erklärte, er wolle sie heiraten. Ich war deshalb nicht einverstanden, weil sie so wenig gemeinsam hatten. Sie war zehn Jahre jünger als er, völlig ungebildet und hatte nur Sinn für die materiellen Dinge des Lebens. Sie hat mir einmal gesagt, was ihr im Leben wirklich Spaß mache, seien Einkaufsbummel.« Sie schüttelte den Kopf, als wäre ihr völlig unverständlich, wie etwas so Prosaisches höchste Begeisterung wecken konnte. »Ich konnte mir offen gestanden nicht vorstellen, was die beiden zusammenhalten sollte. Sie hatte nicht das geringste Interesse an der Segelei und wollte mit diesem Teil von Williams Leben auf keinen Fall etwas zu tun haben.«
»Ist er denn nach der Heirat noch segeln gegangen?«
»O ja, dagegen hatte sie gar nichts einzuwenden, sie wollte nur selbst nicht mitmachen.«
»Kannte sie seine Segelfreunde?«
»Nicht in dem Sinne, wie Sie es meinen«, antwortete sie unumwunden.
»In welchem Sinne denn, Mrs. Sumner?«
»William hat mir gesagt, daß Sie glauben, sie hätte ein Verhältnis gehabt.«
»Wir können diese Möglichkeit jedenfalls nicht ausschließen.«
»O doch, ich glaube schon, daß Sie das können.« Sie warf ihm einen wissenden Blick zu. »Kate kannte von allem den Preis und von nichts den Wert. Sie hätte sich zweifellos genau ausgerechnet, was ein Ehebruch sie kosten würde, wenn William davon erfuhr. Aber von Williams Segelfreunden in Chichester hätte sich sowieso keiner auf eine Affäre mit ihr eingelassen. Die waren alle noch schockierter über seine Wahl als ich. Sie hat sich überhaupt nicht bemüht, sich einzufügen, verstehen Sie, und außerdem bestand zwischen ihr und den meisten der Männer ein großer Altersunterschied. Um es ganz offen zu sagen, sie waren alle entgeistert über ihr leeres Geschwätz. Sie konnte sich über nichts anderes als Seifenopfern, Popmusik und Filmstars unterhalten.«
»Was fand Ihr Sohn dann so anziehend an ihr? Er ist doch ein intelligenter Mann und macht weiß Gott nicht den Eindruck, als hätte er eine Vorliebe für leeres Geschwätz.«
Ein resigniertes Lächeln. »Der Sex war’s. Er hatte genug von intelligenten Frauen. Ich kann mich noch erinnern, wie er mir einmal erzählte, daß die Freundin, die er vor Kate hatte« - sie seufzte -, »sie hieß Wendy Plater und war so eine nette Frau - so passend -, also wie er erzählte, ihre Vorstellung von Vorspiel wäre, über die Wirkung sexueller Aktivität auf den Stoffwechsel zu diskutieren. Wie interessant, hab ich darauf gesagt, und William lachte und meinte, er persönlich zöge die körperliche Stimulierung einer solchen Diskussion vor.«
»Ich denke, da ist er nicht der einzige, Mrs. Sumner«, erwiderte Galbraith trocken.
»Ich möchte diese Frage jetzt nicht weiter mit Ihnen erörtern, Inspector. Auf jeden Fall war Kate offenbar weitaus erfahrener als er, obwohl sie zehn Jahre jünger war. Sie wußte, daß William sich eine Familie wünschte, und produzierte im Nu ein Kind.« Er hörte den Vorbehalt in ihrem Ton und wunderte sich darüber. »Ihre Auffassung von der Ehe bestand darin, ihren Mann nach Strich und Faden zu verwöhnen, und William hat das genossen. Er brauchte keinen Finger zu rühren, außer jeden Tag brav zur Arbeit zu fahren. Es war das altmodischste Arrangement, das man sich vorstellen kann - die Frau als Heimchen am Herd und Fußabtreter, der Mann als stolzer Versorger. Ich glaube, man nennt so was eine passiv-aggressive Beziehung. Die Frau beherrscht den Mann, indem sie ihn von sich abhängig macht, während sie ihm gleichzeitig den Eindruck vermittelt, sie wäre von ihm abhängig.«
»Und das hat Ihnen nicht gefallen?«
»Weil es einfach nicht meiner Vorstellung von der Ehe entspricht. Die Ehe sollte sowohl eine geistige als auch eine körperliche Begegnung sein, sonst wird sie zu Ödland, wo nichts mehr wachsen kann. Das einzige, worüber Kate mit einigem Enthusiasmus reden konnte, waren ihre Einkaufsbummel und die Leute, die sie tagsüber getroffen hatte, und es war ganz offenkundig, daß William ihr überhaupt nicht zuhörte.«
Er fragte sich, ob ihr klar war, daß ihr Sohn noch immer nicht aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschieden war. »Was wollen Sie damit sagen? Daß er sich mit ihr gelangweilt hat?«
Sie bedachte seine Frage gründlich. »Nein, ich glaube nicht, daß er sich gelangweilt hat«, sagte sie dann. »Ich denke, er hatte einfach
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