Wellenbrecher
wenn sie in Birmingham bliebe. Sie war sehr ehrgeizig.«
»Wollte sie Karriere machen?« fragte Galbraith überrascht, als ihm Sumners Bemerkung vom Vortag einfiel, daß Kates einziger Ehrgeiz eine eigene Familie gewesen sei. »Aber Sie haben doch gesagt, sie hätte ihren Beruf ohne Bedauern aufgegeben, als sie schwanger wurde.«
Darauf folgte ein kurzes Schweigen. »Ich nehme an, Sie werden auch mit meiner Mutter sprechen?«
Galbraith nickte.
Sumner seufzte. »Sie hielt nicht viel von Kate. Sie wird Ihnen erzählen, daß sie nur hinter dem Geld her war. Nicht so deutlich vielleicht, aber die Anspielungen werden unmißverständlich sein. Sie kann ziemlich giftig sein.« Er blickte zu Boden.
»Und ist das wahr?« hakte Galbraith nach.
»Meiner Meinung nach nicht. Kates einziges Bestreben war, daß ihre Kinder es einmal besser haben sollten als sie. Ich habe das an ihr bewundert.«
»Aber Ihre Mutter nicht?«
»Das ist ganz unerheblich«, sagte Sumner. »Sie war mit keiner Frau einverstanden, die ich nach Hause gebracht habe. Es erklärt wahrscheinlich, warum ich so lange gebraucht habe, um endlich zu heiraten.«
Galbraith blickte zum Kaminsims und betrachtete eine der Aufnahmen von dem nichtssagend lächelnden Frauengesicht. »War Ihre Frau eine starke Persönlichkeit?«
»O ja. Sie wußte genau, was sie wollte.« Sumner lächelte schief, als er eine weitausholende Handbewegung machte, die das Zimmer umfaßte. »Das hier war es. Ihr Traum. Ein eigenes Haus. Gesellschaftliche Anerkennung. Soziales Ansehen. Darum weiß ich auch, daß sie sich niemals auf eine Affäre eingelassen hätte. Sie hätte dies alles hier um nichts auf der Welt aufs Spiel gesetzt.«
Wieder die reine Naivität? fragte sich Galbraith. »Vielleicht war ihr gar nicht klar, daß eine Affäre riskant war«, meinte er sachlich. »Sie sagen ja selbst, daß Sie kaum zu Hause sind, da hätte sie doch leicht etwas anfangen können, ohne daß Sie es gemerkt hätten.«
Sumner schüttelte den Kopf. »Sie verstehen nicht«, entgegnete er. »Nicht die Angst, daß ich dahinterkommen könnte, hätte sie daran gehindert. Mich konnte sie von unserer ersten Begegnung an um den Finger wickeln.« Ein bitteres kleines Lächeln machte seine Lippen schmal. »Meine Frau war eine altmodische kleine Puritanerin. Es war die Angst davor, was die Leute sagen würden, die ihr Leben beherrschte. Ehrbarkeit und Ansehen waren die Dinge, die für sie zählten.«
Galbraith war stark versucht, den Mann zu fragen, ob er seine Frau je geliebt hatte, aber er verkniff sich die Frage. Er wußte, daß er ihm doch nicht glauben würde, ganz gleich, wie seine Antwort lautete. Er empfand die gleiche instinktive Abneigung gegen Sumner wie Sandy Griffiths, konnte jedoch nicht so recht entscheiden, ob es einfach eine Sache der Chemie war oder ob diese Antipathie seinem hartnäckigen Gefühl entsprang, daß William Sumner seine Frau ermordet hatte.
Galbraiths nächster Weg führte nach Osborne Crescent, Chichester, wo die alte Mrs. Sumner in einem betreuten Heim lebte. Das Gebäude, früher unverkennbar eine Schule, war in etwa ein Dutzend kleiner Wohnungen aufgeteilt. Bevor er hineinging, musterte er die kompakten kastenförmigen Doppelhäuser aus den dreißiger Jahren auf der anderen Straßenseite und fragte sich beiläufig, welches den Sumners gehört hatte, bevor es verkauft worden war, um den Erwerb von Langton Cottage zu ermöglichen. Sie waren einander alle so ähnlich, daß es unmöglich zu erkennen war, und er hatte ein gewisses Verständnis für Kate Sumners Wunsch nach einem Tapetenwechsel. Gesellschaftliches Ansehen, dachte er, muß ja nicht gleichbedeutend mit Langeweile sein.
Angela Sumner überraschte ihn. Sie entsprach überhaupt nicht seiner Vorstellung. Er hatte eine snobistische alte Tyrannin mit reaktionären Ansichten erwartet; statt dessen sah er sich einer couragierten, energischen Frau gegenüber, die, obwohl von rheumatischer Arthritis an den Rollstuhl gefesselt, einen durchaus humorvollen Eindruck machte. Sie bat ihn, seinen Dienstausweis durch den Briefkastenschlitz zu schieben, bevor sie ihn einließ und ins Wohnzimmer bat.
»Ich nehme an, Sie haben meinen Sohn nach allen Regeln der Kunst verhört«, sagte sie, »und erwarten jetzt von mir, daß ich bestätige oder bestreite, was er Ihnen erzählt hat.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?« erkundigte sich Galbraith lächelnd.
Sie nickte und wies auf einen Sessel. »Er hat mich gestern abend
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