Wellenbrecher
Trottel aus Spanien geht mit seiner Jacht draußen in der Bucht vor Anker, schippert mit seiner Familie zum Mittagessen an Land, läßt den Außenbordmotor mit baumelndem Starterkabel am Boot und macht mich dann zur Schnecke, weil es ihm praktisch vor der Nase geklaut wurde. In Spanien, sagt er, würde es nie im Leben jemandem einfallen, ein Boot zu klauen - daß er in diesem Fall den Dieb förmlich dazu eingeladen hat, interessiert ihn nicht weiter! -, und dann fängt er an, auf die kornischen Fischer zu schimpfen, die angeblich so verdammt aggressiv sind und wahrscheinlich auch das Boot geklaut haben. Ich habe ihn drauf aufmerksam gemacht, daß Cornwall mehr als hundertfünfzig Kilometer von uns entfernt ist und daß die spanischen Fischer weit aggressiver sind als die kornischen und nie die EG-Vorschriften befolgen. Trotzdem wollte er mich beim Europäischen Gerichtshof anzeigen, weil ich die Rechte der spanischen Touristen angeblich nicht schütze.«
Ingram lachte. »Und was ist passiert?«
»Gar nichts. Ich habe ihn und seine Familie zu seiner verdammten Luxusjacht rausgebracht und danach nie wieder ein Wort von ihm gehört. Er hat sich wahrscheinlich von der Versicherung das Zweifache der Summe ersetzen lassen, die das dämliche Schlauchboot wert war, und den fiesen Engländern die Schuld an seinem Verschwinden gegeben. Wir haben natürlich rumgefragt, aber niemand hatte etwas beobachtet. Hat mich auch nicht gewundert. An Feiertagen wimmelt’s hier von Ausflüglern, und jeder hätte mühelos mit dem Boot abdampfen können. Ich meine, welcher Idiot läßt auch ein Schlauchboot mit Außenbordmotor rumliegen? Wir haben damals vermutet, daß sich ein paar junge Leute den Kahn geschnappt haben, um eine Spritztour zu machen, und es versenkt haben, als sie genug hatten.«
»Wann genau war das?«
»Ende Mai. Während der Schulferien. Hier ist es zugegangen wie auf dem Rummelplatz.«
»Hat der Spanier Ihnen eine Beschreibung des Boots gegeben?«
»Mit allem Drum und Dran. Wie’s die Versicherung braucht. Ich hatte so den dunklen Verdacht, es war ihm ganz recht, daß es gestohlen wurde, weil er sich gern was Nobleres zugelegt hätte.«
»Können Sie mir die Angaben durchfaxen?«
»Natürlich.«
»Besonders interessiert mich der Außenbordmotor.«
»Warum?«
»Weil ich glaube, daß er nicht mehr an dem Boot war, als es kenterte. Wenn wir Glück haben, ist der Außenborder noch im Besitz des Diebs.«
»Wäre der dann Ihr Mörder?«
»Sehr wahrscheinlich.«
»Dann haben Sie aber Glück, Mann. Ich habe hier dank unseres spanischen Freundes ganze Listen von Seriennummern, und eine davon gehört zu dem Motor.«
14
Bericht der Polizeidienststelle Falmouth über ein Gespräch mit Mr. und Mrs. Arthur Harding
Betrifft: Steven Harding
Mr. und Mrs. Harding bewohnen in der Hall Road 18 im Westen von Falmouth einen kleinen Bungalow. Sie zogen sich 1991 nach Cornwall zurück, um dort ihren Lebensabend zu verbringen, nachdem sie über zwanzig Jahre lang eine Imbißstube in Lymington betrieben hatten. Sie verwendeten einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens, um ihrem einzigen Sohn Steven, dessen Schulabschluß nicht für ein Universitätsstudium ausreichte, die Ausbildung an einer privaten Schauspielschule zu finanzieren und sind ziemlich verbittert darüber, daß sie aus diesem Grund jetzt in recht bescheidenen Verhältnissen leben müssen. Das mag teilweise ihre kritische und ablehnende Haltung ihrem Sohn gegenüber erklären.
Sie bezeichnen ihren Sohn als eine ›Enttäuschung‹ und äußern sich mit offener Feindseligkeit über seinen ›unmoralischen Lebenswandel‹. Sie führen seinen Leichtsinn - ›er hat nichts als Sex, Drogen und Rock and Roll im Kopf‹ - und sein Versagen - ›er hat sein Leben lang nie richtig gearbeitet‹ - auf Faulheit zurück und auf seine Überzeugung, daß ›die Welt ihm etwas schuldig‹ sei. Mr. Harding, der stolz darauf ist, der Arbeiterklasse zu entstammen, behauptet, sein Sohn sehe auf die Eltern herab, was erkläre, wieso er sie in sechs Jahren nur ein einziges Mal besucht hat. Dieser Besuch - im Sommer 1995 - verlief ziemlich unerfreulich, und Mr. Harding brachte seine Ansichten über die Arroganz und mangelnde Dankbarkeit seines Sohnes sehr explosiv und derb zum Ausdruck. Er gebrauchte Ausdrücke wie ›Angeber‹, ›Junkie‹, ›Schmarotzer‹, ›sexbesessen‹, ›Lügner‹, ›verantwortungslos‹, um seinen Sohn zu beschreiben. Dabei ist jedoch
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