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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Abneigung gegen körperliche Berührung erkannte, lächelte nur und sah sich interessiert in dem Kopfstein gepflasterten Hof um. Auf drei Seiten waren Stallungen, schöne alte Backsteingebäude mit massiven Eichentüren, in denen jedoch nur etwa ein halbes Dutzend Boxen belegt zu sein schienen. Die anderen waren leer. Es ist wahrscheinlich lange her, dachte er, daß das Geschäft floriert hat. Bei ihrer Ankunft waren sie an einem verwitterten Schild mit der Aufschrift, »Broxton House, Reit- und Mietställe« vorübergekommen, doch die Anzeichen langsamen Verfalls waren auch hier überall zu erkennen: an dem bröckelnden Mauerwerk, das mehr als zweihundert Jahre lang dem Ansturm der Elemente hatte standhalten müssen; an den Rissen und Sprüngen in Verputz und Anstrich; an den eingeschlagenen Fensterscheiben der Sattelkammer und des Büros, die aus Nachlässigkeit - oder Geldmangel? - nicht ersetzt worden waren.
    Maggie beobachtete ihn. »Ja, Sie haben recht«, sagte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Es eignet sich prachtvoll zum Bau einer Ferienwohnanlage.«
    »Aber es wäre ein Jammer, wenn es so weit käme.«
    »Ja.«
    Er schaute zu einer fernen Koppel hinüber, auf der zwei Pferde recht lustlos in dem dürren Gras schnoberten. »Gehören die auch Ihnen?«
    »Nein. Die Koppel vermieten wir nur. Eigentlich sollten die Eigentümer sich selbst um ihre Pferde kümmern, aber sie denken gar nicht dran. Meistens muß ich die armen Tiere betreuen, obwohl das nie ausgemacht war.« Sie lächelte ein wenig trübsinnig. »Ich kann es den Leuten einfach nicht beibringen, daß Wasser verdampft und der Trog jeden Tag gefüllt werden muß. Manchmal macht mich das wirklich wütend.«
    »Also ganz schön viel Arbeit, wie?«
    »Ja.« Sie wies auf eine Tür am Ende des Stallgebäudes. »Gehen wir in meine Wohnung hinauf. Ich mache Ihnen beiden gern eine Tasse Kaffee.«
    »Danke.« Eine attraktive Frau, dachte Galbraith, trotz ihres ungepflegten Äußeren und der brüsken Art, aber er wunderte sich über Ingrams steife Förmlichkeit ihr gegenüber, die gewiß nicht allein mit der Geschichte von dem betrügerischen Ehemann zu erklären war. Die Förmlichkeit, fand er, müßte eigentlich von ihr ausgehen. Wahrscheinlich, dachte er, als er den beiden die Treppe hinauf folgte, hat der gute Constable einmal einen Annäherungsversuch gemacht und sich eine schallende Ohrfeige dafür eingehandelt, daß er sich über seinen eigenen Stand hatte erheben wollen. Denn Miss Maggie Jenner kam aus einem erstklassigen Stall, auch wenn sie jetzt eher in einem Schweinestall hauste.
    Die Wohnung war das genaue Gegenteil von Nick Ingrams adrettem Häuschen. Überall herrschte Unordnung - knautschige Sitzsäcke auf dem Boden vor dem Fernsehapparat, Zeitungen mit fertigen und angefangenen Kreuzworträtseln auf Stühlen und Tischen, auf dem Sofa eine schmutzige Decke, die unverkennbar nach Bertie roch, ein Berg schmutziges Geschirrs im Spülbecken in der Küche.
    »Entschuldigen Sie, daß es hier so chaotisch aussieht«, sagte sie. »Ich bin seit fünf Uhr auf den Beinen und hatte noch keine Zeit zum Saubermachen.«
    Galbraith hatte den Eindruck, daß dies eine Standardentschuldigung war, die jedem präsentiert wurde, der sich an ihrem Lebensstil stoßen könnte. Sie schob den schwenkbaren Wasserhahn auf die Seite, um den Teekessel zwischen ihn und den Geschirrberg zu zwängen. »Wie trinken Sie Ihren Kaffee?«
    »Viel Milch, zwei Stück Zucker, bitte«, sagte Galbraith.
    »Ich hätte meinen gern schwarz, bitte. Ohne Zucker«, sagte Ingram.
    »Würden Sie mit Milchpulver vorliebnehmen?« fragte sie Galbraith, während sie an einem Milchkarton schnupperte. »Die Milch ist leider sauer.«
    Sie spülte flüchtig zwei Tassen unter dem Hahn aus. »Setzen Sie sich doch. Wenn Sie Berties Decke wegtun, kann einer von Ihnen das Sofa nehmen.«
    »Ich glaube, damit sind Sie gemeint, Sir«, murmelte Ingram, als sie ins Wohnzimmer gingen. »Inspektorenprivileg. Es ist der beste Platz im Haus.«
    »Wer ist Bertie?« flüsterte Galbraith.
    »Der Hund von Baskerville. Er stößt mit Vorliebe seine Schnauze zwischen Männerbeine und sabbert alles voll. Die Flecken überstehen mindestens drei Wäschen, wie ich festgestellt habe, es ist also ratsam, die Beine übereinanderzuschlagen, wenn man sich setzt.«
    »Ich will doch stark hoffen, daß das nur ein Witz ist«, sagte Galbraith mit einem Stöhnen. Er hatte bei dem gestrigen Tauchbad im Meer bereits eine gute

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