Wellenbrecher
Und als der Alte sich den Kerl deswegen vorknöpfte, ist dieser Schweinehund mit dem kleinen Vermögen getürmt, das er Miss Jenner und ihrer Mutter abgeluchst hatte. Bei der Überprüfung seiner Fingerabdrücke hat sich dann herausgestellt, daß so ziemlich sämtliche Polizeidienststellen in England nach ihm fahndeten, ganz zu schweigen von den diversen Ehefrauen, die er sich im Lauf der Zeit zugelegt hatte. Miss Jenner war Nummer vier. Die Ehe war allerdings sowieso nicht gültig, da er von Nummer drei nie geschieden worden war.«
»Wie hieß der Mann?«
»Robert Healey. Er wurde vor zwei Jahren in Manchester verhaftet. Maggie Jenner kannte ihn als Martin Grant, aber vor Gericht hat er zugegeben, daß er noch zweiundzwanzig weitere falsche Namen benutzt hatte.«
»Und sie nimmt es Ihnen übel, daß sie auf einen Ganoven reingefallen ist?« fragte Galbraith ungläubig.
»Nein, das nicht. Ihr Vater war seit Jahren herzkrank gewesen, und der Schock darüber, daß sie plötzlich vor der Pleite standen, hat ihn umgebracht. Ich glaube, sie ist der Ansicht, wenn ich mit ihr geredet hätte statt mit ihm, hätte sie Healey irgendwie dazu bewegen können, das Geld zurückzugeben, und ihr Vater wäre heute noch am Leben.«
»Glauben Sie das auch?«
»Nein.« Er stellte das gestapelte Geschirr vor sich ab. »Healey hatte den ganzen Schwindel bestens organisiert. Der hätte sich zu nichts überreden lassen.«
»Wie hat er’s denn angestellt?«
Ingram lächelte halb wehmütig, halb ironisch. »Mit Charme. Sie war völlig vernarrt in ihn.«
»Also ist sie dumm?«
»Nein - nur allzu vertrauensselig...« Ingram sammelte sich. »Er war ein Profi. Er gründete eine fiktive Firma mit fiktiven Konten und Büchern und beschwatzte die beiden Frauen, in das Unternehmen zu investieren, oder, genauer gesagt, er überredete Miss Jenner, ihre Mutter dazu zu überreden. Es war ein raffinierter Trick. Ich habe später die Papiere gesehen, und es wundert mich nicht, daß sie darauf reingefallen sind. Überall im Haus lagen Hochglanzbroschüren, Buchprüfungsberichte, Gehaltsschecks, Personallisten und Steuerbescheinigungen herum. Man hätte schon sehr mißtrauisch sein müssen, um anzunehmen, daß jemand sich so viel Mühe machen würde, um sich hunderttausend Pfund zu erschwindeln. Wie dem auch sei, in der Überzeugung, daß die Firmenaktien pro Jahr um zwanzig Prozent steigen würden, hat Mrs. Jenner damals ihr ganzes Wertpapierdepot aufgelöst und ihrem Schwiegersohn einen dicken Scheck überreicht.«
»Den er zu Bargeld machte?«
Ingram nickte. »Das Geld ist mindestens über drei Konten gelaufen und dann spurlos verschwunden. Insgesamt hat er zwölf Monate an das Schwindelunternehmen verwendet - neun Monate lang hat er Miss Jenner weichgeknetet, und dann war er noch drei Monate mit ihr verheiratet. Und er hat nicht nur bei den Jenners abgeräumt. Er hat seine Verwandtschaft mit ihnen ausgenützt, um auch noch andere aufs Kreuz zu legen. Viele Freunde der Jenners sind ebenso reingefallen. Es ist traurig, aber als Folge davon sind die beiden Frauen praktisch zu Einsiedlerinnen geworden.«
»Und wovon leben sie jetzt?«
»Von dem bißchen, was Maggie Jenner mit ihrem Reitstall verdient. Viel ist das weiß Gott nicht. Das ganze Anwesen verfällt von Tag zu Tag mehr.«
»Warum verkaufen sie es nicht?«
Ingram schob seinen Stuhl zurück, um aufzustehen. »Weil es ihnen nicht gehört. Der alte Jenner änderte kurz vor seinem Tod sein Testament und hinterließ Haus und Hof seinem Sohn, mit der Bedingung allerdings, daß die beiden Frauen bis zum Tod von Mrs. Jenner dort Wohnrecht haben.«
Galbraith runzelte die Stirn. »Und dann? Der Bruder setzt die Schwester auf die Straße?«
»So ähnlich wird’s wohl werden«, meinte Ingram trocken. »Er ist Anwalt in London und wird bestimmt keinen Mieter auf dem Anwesen haben wollen, wenn er es an eine Immobiliengesellschaft verhökern kann.«
Bevor Galbraith am Donnerstag morgen zu seinem Gespräch mit Maggie Jenner aufbrach, setzte er sich kurz mit Carpenter zusammen, um ihn über den Stand der Ermittlungen bezüglich des angetriebenen Schlauchboots zu informieren. »Ich habe veranlaßt, daß zwei Leute von der Spurensicherung zu der Stelle rausfahren«, sagte er, »aber es würde mich wundern, wenn sie etwas finden - Ingram und ich haben ein bißchen herumgestochert, um festzustellen, warum das Boot Luft verloren hat, und sind zu keinem Schluß gekommen -, aber ich denke, es ist
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