Wellenbrecher
daß sie alte Erbstücke verkaufen mußten, um ihre Schwiegereltern versorgen zu können, aber die Situation der Fieldings war noch fürstlich im Vergleich zu den hiesigen Lebensumständen.
Das Zimmer am Ende des Korridors gehörte offensichtlich Celia, ihr Bett war wahrscheinlich das einzige, das noch im Haus übriggeblieben war. Er brauchte keine zehn Minuten, um es auseinanderzunehmen und unten im Wohnzimmer wieder zusammenzubauen. Er stellte es an die Terrassentür mit Blick auf den Garten, obwohl die Aussicht nicht gerade erhebend war, auch hier nur Ödland, ungepflegt und verwildert. Doch dem Salon war zumindest noch etwas von seiner früheren Pracht geblieben, denn die Gemälde und der größte Teil der Möbel waren noch vorhanden. Wahrscheinlich, dachte er, ahnen nur die wenigsten von Celias Bekannten, wenn überhaupt irgend jemand, daß die Einrichtung der Halle und des Salons den letzten Rest des einstigen Vermögens der Jenners darstellt. Aber welcher Wahnsinn veranlaßte Menschen, in solchen Verhältnissen zu leben? Stolz? Angst davor, daß ihr Bankrott bekannt wurde? Scham?
Er kehrte in die Küche zurück. »Also, wie hätten Sie’s denn gern?« fragte er Celia. »Einfach oder kompliziert?«
Tränen standen ihr in den Augen. »Immer müssen Sie provozieren«, sagte sie. »Sie wollen mir wohl unbedingt das letzte bißchen Würde rauben?«
Er lachte, als er einen Arm unter ihr Knie schob, mit dem anderen ihren Rücken umfing und sie behutsam hochhob. »Warum nicht?« murmelte er. »Es ist vielleicht meine einzige Chance, mit Ihnen quitt zu werden.«
»Ich will nicht mit Ihnen sprechen«, sagte William Sumner ärgerlich und blockierte die Tür, um Galbraith den Eintritt ins Haus zu verwehren. Hektische rote Flecken brannten auf seinen Wangen, und er zog unablässig an den Fingern seiner linken Hand, bis die Gelenke knackten. »Ich hab’s satt, ständig die Polizei im Haus zu haben, und die ewigen Fragen habe ich genauso satt. Warum können Sie mich nicht endlich in Frieden lassen?«
»Weil Ihre Frau ermordet wurde, Sir«, antwortete Galbraith völlig ruhig, »und wir herauszufinden versuchen, wer sie getötet hat. Es tut mir leid, wenn das alles für Sie so schwierig ist, aber ich habe wirklich keine andere Wahl.«
»Dann reden Sie hier mit mir. Was wollen Sie wissen?«
Galbraith blickte zur Straße, wo sich eine Gruppe neugieriger Zuschauer zu sammeln begann. »Wir werden im Nu die Presse auf dem Hals haben, Mr. Sumner«, bemerkte er sachlich. »Wollen Sie sich mit mir vor einem Haufen Journalisten über Ihr angebliches Alibi unterhalten?«
Sumners unsteter Blick schweifte zu den Leuten vor seiner Gartenpforte. »Das ist einfach nicht fair. Alles ist so verdammt öffentlich. Wieso können Sie sie nicht vertreiben?«
»Sie werden von selbst wieder gehen, wenn Sie mich ins Haus lassen. Sie werden bleiben, wenn Sie darauf bestehen, mich hier vor der Tür abzufertigen. So sind die Menschen nun einmal.«
Mit einem gehetzten Ausdruck im Gesicht packte Sumner den Polizeibeamten beim Arm und zog ihn ins Haus. Der Druck, dachte Galbraith, fordert schließlich seinen Tribut, denn von dem selbstsicheren, wenn auch erschöpften Mann, den er am Montag kennengelernt hatte, war nicht mehr viel übrig. Das an sich hatte noch nichts zu bedeuten. Jeder Schock mußte erst verarbeitet werden, und es war eine enorme nervliche Belastung, wenn sich der Erfolg bei der Suche nach dem Täter nicht einstellen wollte. Er folgte Sumner ins Wohnzimmer und nahm auf dem Sofa Platz.
»Was haben Sie gemeint, als Sie von meinem angeblichen Alibi sprachen?« fragte Sumner scharf. »Ich war in Liverpool, Herrgott noch mal. Wie soll ich denn an zwei Orten zugleich gewesen sein?«
Galbraith öffnete seine Aktentasche und entnahm ihr einige Papiere. »Wir haben Ihre Kollegen, Angestellte des Regal Hotels und Bibliothekare der Universitätsbibliothek befragt. Keiner von ihnen kann bestätigen, daß Sie Samstagnacht in Liverpool waren.« Er hielt Sumner die Unterlagen hin. »Sie sollten das vielleicht mal lesen.«
Zeugenaussage: Dr. med. Harold Marshall, Campbell Ltd., Lee Industrial Estate, Lichfield, Staffordshire
Ich erinnere mich, William Sumner am Samstag, dem 9. August 1997, beim Mittagessen gesehen zu haben. Wir unterhielten uns über einen Artikel im Lancet der letzten Woche, in dem es um Magengeschwüre ging. William erzählte mir, daß er an einem neuen Mittel arbeitet, das sämtliche anderen Produkte
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