Wellenbrecher
Mutter, deren Gesundheit ohnehin schon nicht die beste ist.«
»Es gibt so viel anderes zu tun«, sagte sie niedergeschlagen, »und Mama hat meistens solche Schmerzen, daß sie gar nicht richtig saubermachen kann - sagt sie jedenfalls. Manchmal habe ich den Eindruck, das ist nur eine Ausrede, weil sie es für unter ihrer Würde hält, sich die Hände schmutzig zu machen. Und dann wieder...« Sie seufzte tief. »Die Pferde halte ich tadellos, aber der Haushalt steht immer ganz unten auf der Liste. Außerdem hasse ich es hierherzukommen. Es ist so« - sie suchte nach einem passenden Wort - »so deprimierend.«
Er fand es allerhand, daß sie die Stirn hatte, den Lebensstil ihrer Mutter zu verurteilen, aber er sagte nichts. Seelische und körperliche Belastung, Depression und Gereiztheit gingen seiner Erfahrung nach Hand in Hand. Er schrubbte also nur stumm die Tassen, füllte sie mit Wasser und Bleichmittel und ließ sie eingeweicht stehen.
»Sind Sie deshalb in die Stallungen rübergezogen?« fragte er dann.
»Nein, deswegen nicht. Aber wenn Mutter und ich unter einem Dach leben, streiten wir andauernd. Wenn wir getrennt leben, nicht. So einfach ist das.«
Sie sah schmal und müde aus, und das Haar hing ihr in ungepflegten Strähnen ums Gesicht, als hätte sie es seit Wochen nicht mehr gewaschen. Es war nicht weiter verwunderlich nach dem, was sie an diesem Morgen erlebt hatte. Und jetzt begann sich auch noch ein Bluterguß auf ihrer Wange zu bilden. Aber Ingram hatte sie immer noch so in Erinnerung, wie sie vor der Sache mit Robert Healey gewesen war, als eine temperamentvolle, lebenssprühende Frau mit einem ausgeprägten Sinn für Humor und blitzenden Augen. Er bedauerte es, daß diese Persönlichkeit verblaßt war - sie war so strahlend gewesen -, und dennoch war sie für ihn immer noch die begehrenswerteste Frau, die er je gekannt hatte.
Er sah sich in der Küche um. »Wenn Sie das hier deprimierend finden, dann sollten Sie mal für eine Woche in ein Obdachlosenheim ziehen.«
»Soll das ein Trost sein?«
»In diesem einen Raum könnte man eine ganze Familie unterbringen.«
»Sie reden wie Ava, meine fürchterliche Schwägerin«, erwiderte sie gereizt. »Sie ist der Auffassung, daß wir das reinste Luxusleben führen, obwohl das ganze verdammte Haus uns praktisch über dem Kopf zusammenfällt.«
»Warum hören Sie dann nicht einfach auf zu jammern und unternehmen was dagegen?« fragte er. »Wenn Sie die Küche hier mal streichen würden, sähe sie gleich freundlicher aus und Sie hätten weniger Anlaß, deprimiert zu sein.«
»Jetzt hören Sie aber auf«, sagte sie eisig. »Gleich werden Sie mir vorschlagen, ich solle anfangen zu stricken. Ich brauche keine Beschäftigungstherapie, Nick.«
»Dann erklären Sie mir mal, was Sie davon haben, wenn Sie hier rumsitzen und so hilflos jammern? So hilflos sind Sie doch nun wirklich nicht! Aber vielleicht sind ja Sie diejenige, die es für unter ihrer Würde hält, sich die Hände schmutzig zu machen.«
»Farbe kostet Geld.«
»Ihre Wohnung über den Ställen kostet viel mehr«, entgegnete er. »Sie sind nicht bereit, Geld für einen Eimer billiger Farbe auszugeben, aber Sie bezahlen ohne mit der Wimper zu zucken doppelt für Gas, Strom und Telefon, nur damit Sie keine Anstrengungen unternehmen müssen, mit Ihrer Mutter auszukommen. Inwiefern macht das die Dinge leichter, Maggie? Kluges wirtschaftliches Denken ist es jedenfalls nicht, oder? Und was wollen Sie tun, wenn sie mal stürzt und sich die Hüfte so schwer verletzt, daß sie im Rollstuhl sitzen muß? Ab und zu mal vorbeischauen, um sich zu vergewissern, daß sie nicht an Unterkühlung gestorben ist, weil sie es nicht allein ins Bett geschafft hat? Oder wäre das so deprimierend, daß Sie ihr ganz aus dem Weg gehen würden?«
»Also, das habe ich wirklich nicht nötig«, sagte sie verdrossen. »Außerdem geht es Sie überhaupt nichts an. Wir kommen allein sehr gut zurecht.«
Er betrachtete sie einen Moment schweigend, dann wandte er sich wieder dem Spülbecken zu, leerte die eingeweichten Tassen aus und spülte sie unter dem fließenden Wasser. Er wies mit dem Kopf zum Teekessel. »Ihre Mutter hätte gern eine Tasse Tee. Geben Sie ordentlich Zucker rein, damit sie wieder ein bißchen Kraft bekommt. Und sich selbst sollten Sie auch eine Tasse machen. Der Arzt hat gesagt, er ist spätestens um elf hier.« Er trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch und rollte seine Ärmel herunter.
»Wo wollen
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