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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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nicht stur. Ich habe nur meine Prinzipien.«
    »Ja, und wenn Sie nicht so« - er lachte sie an - »so starre Prinzipien hätten, wären Sie jetzt schon im Krankenhaus in Poole und würden ordentlich verarztet werden.«
    »Ich will Ihnen mal was sagen«, versetzte sie ärgerlich. »Wenn ich nur halb so stur wäre, wie Sie behaupten, wäre ich überhaupt nicht in dieser Situation. Ich habe was dagegen, wenn man mir sagt, ich soll meinen Hintern in Bewegung setzen.«
    »Wollen Sie noch eine Entschuldigung?«
    Sie blickte ihm kurz in die Augen, dann schaute sie wieder weg. »Nun lassen Sie mich schon runter«, schimpfte sie. »Das ist unwürdig für eine Frau meines Alters. Was würde meine Tochter sagen, wenn sie mich so sähe?«
    Er achtete gar nicht auf sie, sondern ging den unkrautüberwucherten Kiesweg entlang zur Haustür und stellte sie erst auf die Füße, als er schnelle Schritte hörte. Hinter der Hausecke kam Maggie hervorgeschossen, atemlos und erregt, in jeder Hand einen Spazierstock. Sie reichte die beiden Stöcke ihrer Mutter.
    »Sie hätte nicht reiten dürfen«, sagte sie zu Nick, während sie keuchend nach Luft rang. »Das hat der Arzt ausdrücklich verboten. Ein Glück, daß sie nie tut, was man ihr sagt. Allein hätte ich das alles nicht geschafft, und ohne Sir Jasper hätte ich Stinger bestimmt nie zurückgebracht.«
    Nick stützte Celia an den Ellbogen, bis sie auf den Stöcken Halt gefunden hatte. »Sie hätten mich einfach zum Teufel schicken sollen«, sagte er.
    Sie bewegte sich mühsam auf ihren Stöcken vorwärts. »Gott bewahre«, murmelte sie gereizt. »Das ist genau der Fehler, den ich das letztemal gemacht habe.«

18
    Aussage
     
    Zeuge: James Purdy, Leitender Direktor, Pharmatec UK
    Vernehmungsbeamter: Inspector J. Galbraith
     
    Irgendwann im Sommer 1993 mußte ich noch länger im Büro arbeiten. Ich glaubte, alle anderen Mitarbeiter wären längst nach Hause gegangen. Als ich gegen 21 Uhr ebenfalls gehen wollte, sah ich in einem Büro am Ende des Korridors noch Licht. Es war das Büro von Kate Hill, der Sekretärin des Leiters unserer Kundendienstabteilung, Michael Sprate. Ich war beeindruckt von der Tatsache, daß sie so spät noch an der Arbeit saß, und ging hinein, um ihr ein anerkennendes Wort zu sagen. Sie war mir schon aufgefallen, als sie bei uns in der Firma anfing, weil sie so klein und zierlich war. Sie hatte blonde Haare und außergewöhnliche blaue Augen. Ich fand sie sehr attraktiv, aber das war nicht der Grund, weshalb ich an dem betreffenden Abend zu ihr ins Büro ging. Sie hatte nie auch nur angedeutet, daß sie an mir interessiert sei. Ich war deshalb überrascht und fühlte mich geschmeichelt, als sie aufstand und sagte, sie sei länger geblieben, weil sie gehofft habe, daß ich hereinkommen würde.
    Ich bin nicht stolz auf das, was dann geschah. Ich bin achtundfünfzig Jahre alt und seit dreiunddreißig Jahren verheiratet, und was ich an jenem Abend mit Kate erlebte, war etwas völlig Neues für mich. Ich weiß, es klingt absurd, aber es war genau das, wovon Männer immer träumen: daß sie eines Tages in ein Zimmer treten und eine schöne Frau sie nach allen Regeln der Kunst verführt. Hinterher war ich sehr in Sorge, weil ich befürchtete, sie hätte Hintergedanken dabei gehabt. Die nächsten Tage lebte ich in ständiger Angst. Ich erwartete, daß sie sich mir gegenüber zumindest Freiheiten herausnehmen oder mich schlimmstenfalls zu erpressen versuchen würde. Aber sie war absolut diskret, verlangte nichts und war stets höflich, wenn wir miteinander zu tun hatten. Als ich erkannte, daß ich nichts zu fürchten hatte, wurde ich regelrecht besessen von ihr, und ich träumte jede Nacht von ihr.
    Ungefähr zwei Wochen später war sie wieder in ihrem Büro, als ich vorbeikam, und es geschah das gleiche wie zuvor. Ich fragte sie, warum, und sie sagte: ›Weil ich es möchte.‹ Von diesem Moment an war ich ihr verfallen. In mancher Hinsicht ist sie das Schönste, was mir je im Leben widerfahren ist, und ich bereue keinen einzigen Augenblick unserer Beziehung. In anderer Hinsicht erscheint es mir im Rückblick wie ein Alptraum. Ich habe nie geglaubt, daß man Herzen brechen könne, aber Kate hat mir mehrmals das Herz gebrochen, und am schlimmsten war es für mich, als ich hörte, daß sie tot ist.
    Unsere Beziehung dauerte mehrere Monate, bis zum Januar 1994. Meistens trafen wir uns in Kates Wohnung, aber ein- oder zweimal schützte ich auch Geschäftsreisen vor und

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