Wellentänze: Roman (German Edition)
abgeben.«
»Nein, natürlich nicht. Ich wollte sowieso nur ein bisschen plaudern«, flunkerte Julia, die sich alle Mühe gab, lässig zu klingen. »Aber ich will dich nicht aufhalten.«
»Du hast Wehen, ja? Komm schon, gib’s zu!«
»Möglicherweise.«
»Was soll das heißen: möglicherweise? Welche Symptome hast du denn gehabt?«
»Meine Fruchtblase ist geplatzt, und ich glaube ...« Es folgte eine ziemlich lange Pause, während der Julia sehr bedachtsam ein- und ausatmete. »Die Wehen haben eingesetzt.«
»Verdammt! Warum muss der elende Andrew auch ausgerechnet jetzt weg sein? Er wird nicht lange bleiben, aber so, wie du dich anhörst, solltest du nicht auf mich warten, um ins Krankenhaus zu kommen. Ruf einen Krankenwagen.«
»Ich bin auf dem Boot.«
»Ruf trotzdem einen Krankenwagen. Ich hole deine Sachen bei dir zu Hause ab und bringe sie dir, sobald der Arzt da war und Andrew wieder zurück ist. Wahrscheinlich hast du ohnehin noch ziemlich viel Zeit.« Ihre Stimme wurde weicher. »Du brauchst es nicht allein zu bekommen, das verspreche ich dir.«
»Das ist es nicht, was mir Sorgen macht. Mir graut davor, stundenlang in einem Krankenhausnachthemd herumzuhocken, ohne etwas zu lesen zu haben. Ich möchte meine eigenen Sachen, Ange.«
»Ich weiß, wie es dir geht. Es ist idiotisch, aber ich habe genauso empfunden. Keine Bange, ich sorge dafür, dass du deine Sachen bekommst.«
»Also, fährt deine Schwester los?«, fragte Suzy, als Julia das Gespräch beendet hatte.
»Nicht sofort. Ihre Tochter ist krank, und ihr Mann ist nicht zu Hause.«
»Also, es wird dir zwar nicht gefallen, aber ich habe einige Vorkehrungen getroffen.«
»Was?«
»Ich habe Mrs. Anstruther gegenüber – natürlich sehr taktvoll – durchblicken lassen, dass bei dir die Wehen eingesetzt haben.«
Diese Nachricht führte zu einer besonders heftigen Wehe.
»Und nachdem sie fast in Ohnmacht gefallen wäre, meinte ihr Begleiter, dass Oscar ohnehin komme, um sie abzuholen. Er wird dich ins Krankenhaus fahren. Eine der anderen Frauen sagte, dass Krankenwagen immer eine Ewigkeit brauchen und dass sie uns vielleicht nicht einmal finden würden.«
»Hast du allen Gästen erzählt, dass ich hier sitze und ein Baby bekomme?«
»Das musste ich doch, Liebes, was hätte ich sonst tun können? Sie sind alle deswegen ganz aus dem Häuschen.«
»Nun, dann kannst du auch Oscar sagen, dass er seine ehemalige Verlobte ins Krankenhaus fahren soll, damit sie das Baby eines anderen Mannes zur Welt bringt.«
»Er wird schon kein Theater deswegen machen, Ju! Kein Mann hat etwas dagegen, der Held der Stunde zu sein!«
Jetzt, da ihr Geheimnis gelüftet war, bestanden die Mitglieder des »Antiquitätenclubs« – mit Ausnahme Mrs. Anstruthers – darauf, dass Julia sich zu ihnen in den Essbereich setzte. Zwischen zwei Wehen mit wildfremden Menschen höfliche Konversation zu treiben, war nicht direkt das, was sie sich ausgesucht hätte, aber immerhin verging auf diese Weise die Zeit etwas schneller.
Es dauerte nicht lange, bis sie anlegten. Die meisten Passagiere gingen von Bord, und nach einer Weile tauchte Oscar auf. Julia verschwand hinter der Schwingtür und verbarg dahinter den Teil ihres Körpers, der schwanger war.
»Einen schönen Abend allerseits«, grüßte Oscar leutselig. »Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.«
»Oscar!« Mrs. Anstruther stand am Rand eines hysterischen Anfalls. »Gott sei Dank, dass du da bist! Diese Frau ...« Sie zeigte mit einem zitternden Finger auf Julia. »... bekommt ein Baby. Hier! Jetzt! Und sie wollen, dass du sie ins Krankenhaus bringst! Es ist unerhört!«
»Oh! Julia! Ist das wahr?«
»Hm, nein«, begann Julia. »Ich meine, ich bekomme ein Baby, aber ein Krankenwagen würde mir völlig reichen ...«
»Und es ist nicht einmal dein Kind! Wie kann sie dir zumuten, dass du für sie die Kohlen aus dem Feuer holst?«
»Das tue ich doch gar nicht«, protestierte Julia. »Ich kann genauso gut einen Krankenwagen rufen.«
»Unsinn«, schaltete Suzy sich ein. »Du weißt, was diese Frau gesagt hat. Womöglich bekommst du das Baby, bevor der Krankenwagen uns findet.«
»Ich denke, ich kann selbst entscheiden, was ich tun will«, erklärte Oscar, der sich, wie Suzy vorhergesehen hatte, eine solche Gelegenheit, sich als Held zu erweisen, auf keinen Fall entgehen lassen wollte. »Selbstverständlich werde ich Julia ins Krankenhaus bringen. Mutter, du kannst dir ein Taxi rufen!«
»Oscar! Deine erste
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