Wellentänze: Roman (German Edition)
mehrfach das Leben gerettet, aber du kannst dich kaum dazu überwinden, Danke zu sagen.«
Julia musterte mit großem Interesse die Kartoffelschale, die sich von ihrem Schäler hinabschlängelte. »Das liegt wahrscheinlich daran, dass Mom uns ewig in den Ohren gelegen hat, wie wunderbar er ist. Aber du hast Recht, ich benehme mich wirklich zickig.« Sie seufzte. »Ohne Mel hätten wir ziemlich in der Klemme gesessen, da es mit meinen Kochkünsten in letzter Zeit nicht mehr so weit her ist.«
»Ach ja? Das war mir gar nicht aufgefallen. Machst du dir Sorgen, weil deine alte Firma dich verklagt, oder ist es etwas anderes?«
Julia schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, habe ich kaum einen Gedanken daran verschwendet. Das Ganze ist so lächerlich, dass ich es irgendwie nicht ernst nehmen kann. Vor allem, da wir so viel zu tun hatten. Also, du meinst nicht, dass an meiner Kocherei etwas auszusetzen ist?«
»Mir schmeckt alles genauso gut wie eh und je. Aber Mel kommt auch prima mit den Booten zurecht. Genau genommen, ist sie ein Traum von einem Mannschaftsmitglied. Meinst du, ich kann sie fragen, ob sie nächstes Jahr zurückkommen möchte?«
»Das solltest du unbedingt versuchen. Sie hat bewirkt, dass mir mein Leben wieder lebenswert erscheint.«
»Es war auch einfacher für dich, als deine Mutter diese eine Woche bei uns war, nicht wahr?«, hakte Suzy nach. »Sie war große Klasse. Du hast wirklich Glück, so eine Mutter zu haben. Sie nimmt echten Anteil an deinem Leben, statt nur die ganze Zeit irgendetwas zu missbilligen. Margot ist so ganz anders als die meisten Mütter.«
»Sie kann aber auch ziemlich beherrschend sein.«
»Hm, ja, aber doch auf eine gute Art und Weise.«
»Wahrscheinlich hast du Recht.« Obwohl Julia in besagter Woche durchaus gemischte Gefühle gehabt hatte, wenn sie aus ihrer eigenen Kombüse gescheucht worden war, musste sie Suzy einfach Recht geben. Sie war schon undankbar genug gewesen, was Fergus betraf.
Suzy hatte keine Ahnung von Julias zwiespältigen Gefühlen. »Also wirklich, ich glaube, wir haben die Sache mit den Hotelbooten geschafft. Wenn Waynes Video in Ordnung ist und wir die Leute aus Amerika als Kunden gewinnen, haben wir gut lachen. Und selbst wenn der Film Müll ist, müssten wir mehr Buchungen bekommen als in diesem Jahr. Mit Ausnahme von Oscars Mutter haben alle gesagt, sie wollten wiederkommen und ihre Freunde mitbringen.«
Julia, die trotz Mel noch immer furchtbar müde war, konnte Suzys ungebremsten Optimismus nicht ganz teilen. Sie erinnerte sich an all die Schwierigkeiten zu Anfang der Saison, als Jason sie wenige Stunden vor Ankunft der ersten Passagiere im Stich gelassen hatte. Aber der Tag war zu schön, um ihn zu verderben, daher behielt sie ihre negativen Gedanken für sich.
Mel war in der Tat ein Juwel. Sie war, einen Rucksack als Gepäck, im Taxi aufgekreuzt und hatte erklärt, dass Fergus jede Menge Geld für die Perlen bekommen und ihr bereits ihren Lohn bis zum Ende der Saison bezahlt habe. Mel verfügte über unerschöpfliche Energiereserven, war zu jeder Tageszeit bester Laune und besaß überdies einen endlosen Vorrat an Rezepten für ›Ananaskuchen verkehrt‹, schokoladen- und kokosnussüberzogene Biskuitplätzen und ähnliche Köstlichkeiten direkt aus Mutters Küche. Die Passagiere liebten sie und gaben ihr reichlich Trinkgelder.
»Du bist jeden Penny wert«, versicherten Julia und Suzy mit einer Spur von Neid, als sie das zum ersten Mal mitbekamen. Die Passagiere gaben Suzy deshalb kein Trinkgeld, weil sie die Besitzerin war und vermutlich ein Vermögen verdiente, und Julia bekam nichts, weil sie eher wie eine Geschäftspartnerin als eine Angestellte wirkte. »Das ist so unfair!«, beschwerte sich Suzy bei Julia. »Du hättest Trinkgelder verdient.«
Julia zuckte mit den Schultern. »Das ist nun mal der Nachteil, wenn man mit dem Boss befreundet ist.«
Suzy umarmte sie und schenkte ihr später ein entzückendes Paar Ohrringe, das sie in einem Laden am Kanal gekauft hatte. »Es muss auch Vorteile geben«, hatte sie dazu erklärt.
Nachdem sie nun die geschälten Kartoffeln abgeliefert und Mel ihr versichert hatte, dass sie keine Einmischung in der Küche brauche oder wolle, entschied Julia sich gegen ein Sonnenbad und für einen Spaziergang. Die Sonne, die für eine Weile recht wohltuend gewesen war, verursachte ihr jetzt eine leichte Übelkeit.
»Ich will mal sehen, ob ich nicht irgendwo ein paar frühe Brombeeren finden kann«,
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