Wellenzauber
zu meiner Nichte nach Hamburg zu ziehen und meinen Lebensabend genießen.«
»Ausgeschlossen!« Federico sah sie entsetzt an. »Ich brauche dich. Du weißt doch, dass ich keinen angemessenen Ersatz für dich finden kann. Die Hebammen hier sprechen nur Italienisch, aber viele meiner Patienten sind deutsche Touristinnen.«
Martha schwieg eine Weile, dann sagte sie vorsichtig: »Möglicherweise weiß ich da eine Lösung. Lass dich überraschen.« Sie wusste, es war zu früh, ihn einzuweihen. Sie wollte weder falsche Hoffnungen bei ihm wecken noch ihn vorzeitig verschrecken.
Federico schnaubte. »Schon wieder so eine Andeutung von dir. Warum sprichst du neuerdings in Rätseln? Erst diese Bemerkung letzte Woche, dass ich Dinge geschehen lassen soll, und jetzt das. So langsam wirst du mir unheimlich.«
»Nur Geduld, mein Lieber. Nur noch ein klein wenig Geduld.«
»Nein«, erwiderte er entschieden. »Ich will jetzt wissen, was du planst.«
Martha schenkte ihm lediglich einen unschuldigen Blick und nahm dann ein paar Papiere in die Hand. Manchmal, fand sie, konnten junge Männer ganz schön anstrengend sein. Sie beschloss, deutlicher zu werden.
»Entweder du vertraust mir, oder ich nehme morgen das nächstbeste Flugzeug und lasse dich hier mit allem im Stich.«
Erst als sie die Worte schon ausgesprochen hatte, bemerkte sie selbst, dass sie wie eine Anspielung auf Federicos eigene Handlungsweise vor zehn Jahren klangen.
»Tut mir leid«, fügte sie schnell hinzu. »So war das nicht gemeint.
Federico, der blass geworden war, nickte nur.
Erleichtert wechselte Martha das Thema und begann, von einer schwangeren Frau Ende vierzig zu erzählen, für die dieses Kind das größte Glück ihres Lebens bedeutete. Gemeinsam besprachen sie den Fall und stimmten eine lückenlose Kontrolle der Schwangerschaft ab, um mögliche Probleme rechtzeitig zu erkennen.
Martha war froh, dass Federico sich wieder ganz auf seine Arbeit konzentrierte.
Manche Dinge dürfen nicht überstürzt werden, dachte sie bei sich. Ihr alter Freund Reinhold Haber musste zunächst sein Versprechen einlösen. Erst wenn Sina Paulsen wirklich auf der Insel war, würde man weitersehen.
Martha konnte nur hoffen, dass alles so klappen würde, wie sie es geplant hatte.
Der Korbstuhl gab ein leises knarzendes Geräusch von sich, als Sina sich entspannt zurücklehnte. Sie war im Paradies gelandet, anders konnte sie es nicht nennen. Um sie herum erstreckte sich der herrliche Garten des Hotels Villa Margherita. Hohe Pinien, breit gefächerte Palmen und bunte Oleanderbüsche erstreckten sich bis hinunter zum Meer, wo ein weißrosa schimmernder Strand zum Baden im türkisfarbenen warmen Wasser einlud. Über all dieser irdischen Pracht wölbte sich ein klarer Himmel, der höher und blauer schien als in Deutschland.
So viel Schönheit hatte Sina nicht erwartet. Natürlich hatte sie während des Fluges im Reiseführer viel über Sardinien gelesen. Zu ihrer eigenen Überraschung war es ihr dabei sogar gelungen, ihre Angst vor einem Wiedersehenmit Federico Bergmann zeitweise ganz zu vergessen. Aber es war eben etwas anderes, ob man Informationen im Kopf abspeicherte oder das Paradies mit eigenen Augen betrachtete.
Ihre Sinne kamen zur Ruhe, die Aufregung der Reise legte sich. Der Duft nach Mittelmeerkräutern und Eukalyptus umwehte sie, und von der Terrasse her mischte sich das würzige Aroma von englischem Tee darunter. Britische Touristen nahmen dort ein spätes Frühstück ein. Sina schloss die Augen und ließ die warme Sonne auf ihr Gesicht scheinen. Für einen Moment war sie wunschlos glücklich.
»Hast du noch nicht genug geschlafen?« Kerstins laute Stimme zerstörte den friedlichen Augenblick. »Jetzt aber hoch mit dir. Ich will was unternehmen. Lass uns mit einem Boot rausfahren und die kleinen Inseln vor der Costa Smeralda entdecken. Bei der Gelegenheit schieße ich dann ein paar Promis ab. Wir können uns auch ins Getümmel von Olbia stürzen, auf den Markt gehen, die romanische Basilika besichtigen und auf dem Corso Umberto bummeln.«
Sie holte einmal tief Luft und sprudelte dann weiter hervor: »Oder wir mieten ein Auto und fahren ein Stück ins Landesinnere. Weißt du, was man sich hier erzählt? Als Gott die Welt erschaffen hat, da hat er von jedem Teil der Erde noch einige Bäume, Büsche, Blumen, Erde und Steine übrig gehabt. Daraus hat er dann Sardinien geformt, sozusagen als göttliches Flickwerk. Und deshalb ist die Landschaft hier so
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