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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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während ältere Killer sorgfältiger vorgehen.«
    »Also haben wir es mit einem älteren Killer und möglicherweise mit einer Frau zu tun«, sagte Marci. »Sie plant im Voraus und geht sehr umsichtig vor. Dazu passt gut, dass sie den Bürgermeister im Rathaus und nicht in seinem Haus angegriffen hat, wo die Alarmanlage viel besser ist.«
    »Woher weißt du das?«
    »Dad hat es erwähnt.« Sie lächelte. »Mann, diese Täterprofile funktionieren tatsächlich.«
    »Sag ich doch.«
    »Man müsste die Tatsache berücksichtigen, dass die Täterin eine ziemlich große Tasche herumschleppt.«
    »Wieso?« Bisher war in meiner Analyse noch keine Tasche vorgekommen.
    »Weil sie so viele Sachen braucht«, erklärte Marci. »Eine Frau geht nie ohne Handtasche aus dem Haus, und erst recht keine Frau, die so gut organisiert ist wie die Mörderin. Sie braucht eine große Tasche für die Plastikplanen, eine Pistole, eine Bügelsäge und was sie sonst noch benutzen will. Das ist eine Menge Zeug.«
    »Das …« Ich hielt inne. »Du hast recht, sie braucht viele Sachen. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.« Weil ich so sicher war, dass die Dämonin die eigenen Klauen benutzte, um die Opfer zu töten, und das hatte meine Theorien beeinflusst. Es war gut möglich, dass sie eine gewöhnliche Waffe benutzte, wie Forman es getan hatte, und wenn das zutraf, musste sie die Gegenstände irgendwie mit sich herumtragen. Blieb noch die Frage, mit welcher Waffe man die Handgelenke auf diese Weise durchtrennen konnte. Ich nickte. »Du machst das wirklich gut.«
    Marci verdrehte die Augen. »Das ist das Letzte, worin ich gut sein möchte.«
    »Allerdings wurden die Hände nicht abgesägt. Es gab keine Gewebeschäden, die mit einer Säge in Verbindung zu bringen wären.«
    »Jetzt frage ich dich, woher du das weißt.«
    Ich schwieg erschrocken. Die nicht vorhandenen Gewebeschäden waren in den Nachrichten nicht erwähnt worden. Ich hatte die Beobachtung in der Leichenhalle gemacht, und meine Mitarbeit dort sollte ein Geheimnis bleiben. Wie viel durfte ich ihr anvertrauen?
    Marci sah mich offen an, nicht anklagend, sondern einfach nur neugierig. Sie war völlig ehrlich und offen. Ich musste lernen, mich genauso zu verhalten.
    »Ich helfe Mom in der Leichenhalle«, erklärte ich. »Ich habe auch beim Einbalsamieren von Pastor Olsen geholfen.«
    »Au weia.« Sie rutschte auf dem Stuhl herum. »Ist das nicht total igitt?«
    »Igitt?«
    »Das ist die Kurzfassung von O mein Gott, ist das widerlich . Ich wusste gar nicht, dass du so was machst.«
    »Glaub mir, du weißt vieles nicht über mich«, erwiderte ich. »Aber denken wir lieber über die Verletzungen der Handgelenke nach. Hast du eine Vorstellung, wie sie entstanden sein könnten?«
    »Keine Spuren einer Säge?«, vergewisserte sie sich.
    »Nein.«
    »Ein Messer?«
    »Ein einziger glatter Schnitt«, erklärte ich. »Mit einem Messer lässt sich nicht so viel Kraft ausüben. Vielleicht mit einer Machete.«
    »Mit einer Axt.« Sie tippte sich nachdenklich ans Kinn. »Oder mit einem Spaten.«
    »Eine Axt und eine Machete sind vermutlich zu groß, um sie so ohne Weiteres zu verbergen, ganz zu schweigen von einem Spaten«, widersprach ich. »Selbst wenn wir großzügig sind und der Mörderin einen Seesack zugestehen, in dem sie ihre Hilfsmittel transportiert, kann sie kaum unauffällig einen Gegenstand mitnehmen, der groß genug ist, um solche Schnitte auszuführen.« Ich kam wieder auf die Krallen zurück – es konnte gar nichts anderes sein. Allerdings hätte es einen weiteren riesigen Schritt bedeutet, Marci von den Dämonen zu erzählen, und so weit war ich noch nicht.
    »Wie wäre es mit einem Beil?«, fragte sie. Ich stutzte – der Vorschlag sagte mir zu. »Der Stiel eines Beils ist nicht so lang wie der einer Axt«, fuhr sie fort. »Daher kann man damit zwar nicht ganz so fest zuschlagen, aber die Wucht könnte reichen, um ein Handgelenk zu durchtrennen.« Sie lächelte nervös, als ich sie anstarrte. »Ist ja nur eine Vermutung. Ich habe keine Ahnung, wie man Handgelenke durchtrennt.« Ich starrte sie weiterhin wortlos an. »Hör mal«, sagte sie schließlich, »du hast damit angefangen, also sieh mich nicht so an.«
    »Nein«, entgegnete ich rasch. »Nein, ich finde das überhaupt nicht schlimm. Im Gegenteil, das war brillant.«
    »Danke.«
    »Ich meine, es ist nicht brillant, aber …«
    »Wie bitte?«
    »Ich meine, daran habe ich nie gedacht, obwohl ich daran hätte denken sollen.

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