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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Rettungsdienstes auf, die allnächtliche Musik jeder großen Stadt, an deren schrille Monotonie alle Bewohner gewöhnt waren.
    »Es kommt noch einer«, berichtete Ken seinem Freund, als der Sirenenlärm in der unmittelbaren Nähe nachgelassen hatte. »Heute nacht noch will er dasein. Wundere dich also nicht, wenn es klopft. Ich kenne ihn von Chicago. Denke, er kann einer von unseren Besten werden. Hugh Mahan. Wir nehmen ihn doch mit?«
    Martell dachte nach.
    »Er kann seine Reise selbst bezahlen«, erklärte Ken. »Es ist ein Lehrer.«
    »Lehrer…?«
    »Ja. Er ist von den Weißen angestellt. Aber ich bürge für ihn.«
    »Wir können nicht warten.«
    »Er kommt.«
    »Nun gut – wenn er kommt.«
    Ken und Martell fielen in Schlaf; der Japaner war schon eingeschlummert.
    Das kleine Fenster der Kammer war nach oben aufgeschoben, aber das ganze Haus war von Gerüchen durchzogen, die arme Leute in überfüllten Räumen nicht vertreiben konnten; sie drangen durch alle Ritzen und alle Fugen, durch das offene Fenster aber zog Nebel mit Fisch- und ölverpestetem Tanggeruch herein.
    Martell atmete hörbar. Er träumte von Eiswüsten und sich türmenden Gletschern und Gipfeln, von reinem Schnee und Wind ohne Staub, vom Meer, von Walen und Robben, von Fischen und Netzen, von Kindern mit Augen, die klar und freundlich waren wie die Wintersonne. Er träumte von dem Mädchen, und einmal schrie er auf, weil er sie in den rohen Armen eines andern gesehen hatte.
    Ken hatte nur ein einziges Bild seiner Träume, das seinen Schlaf umschlang. Es war eine felsige Insel im Nebel, leer und verlassen, »for sale or lease«. Einst war sie Indianerland gewesen, lange, lange, ehe Menschen dort hinter Gitter gezwungen wurden wie Raubtiere in den Käfig.
     
    Es klopfte. Drei Stunden nach Mitternacht.
    Leise wurde die Tür geöffnet, die nicht verschlossen war. Eine lange Gestalt schlüpfte herein, in Jeans, Fellweste und Lederjacke, einen Schal um den Hals, den Cowboyhut auf dem Kopf, die Tasche mit Habseligkeiten und eine Decke über der Schulter. Ken wurde als einziger wach. Er winkte Hugh zu sich heran, und dieser wickelte sich in seine Decke und legte sich zwischen Ken und dem Japaner auf den Holzboden. Es währte nicht fünf Atemzüge, da war er eingeschlafen. Er mochte müde geworden sein, ehe er den Unterschlupf gefunden hatte.
    Die Schlafenszeit in der Kammer blieb kurz. Der japanische Kollege mußte zur Frühschicht bei einem Obst- und Gemüsehändler, seinem Landsmann, und machte sich um 4 a.m. auf. Er bereitete sich auf einem kleinen Gaskocher einen Tee und verschwand gleich darauf. Er hatte kaum ein Geräusch verursacht. Dennoch wurden alle wach und hörten den Motor seines Wagens vor dem Hause anspringen. Es war die Stunde, um die das Heulen der Sirenen nachzulassen pflegte. Nur von ferne erklang noch einmal der nervenkratzende Ton.
    Ken, Martell und Hugh benutzten der Reihe nach die Waschgelegenheit und tranken miteinander Tee, dann fuhr Martell sie zu dem Flugplatz, der außerhalb der Stadt am Küstenstreifen lag. Die Straßen waren um diese frühe Zeit noch leer. Die Scheinwerfer tasteten parkende Wagen und die großen Lastzüge des Güterverkehrs ab.
    Am Flugplatz war noch und schon wieder alles rege. Die drei lösten ihre Karten hin und zurück bis Anchorage; wie sie von da aus weiterkommen würden, blieb noch ungewiß. Sie fanden im großen Flughafengebäude ihre Flugnummer, nahmen in dem Zugangsraum Platz, und da sie nichts anderes zu tun hatten, musterten sie die Flugpassagiere, die schon gekommen waren oder noch kamen. Ihre Fensterplätze im Flugzeug hatte Hugh an der Platztafel bereits gesichert. Die Düsenmaschinen donnerten und hinterließen dunkle Schmutzstreifen, die sich in den Höhen des Himmels zu weißen langen Schwänzen kondensierten.
    Die Abfahrtszeit war gekommen; Ken, Hugh und Martell betraten das Flugzeug, von den Stewardessen mit dem gleichen konventionellen Lächeln begrüßt wie alle anderen Fluggäste. Sie nahmen ihre Plätze ein und erhielten das im Preis inbegriffene Frühstück. Als die Klapptische wieder abgeräumt waren, schloß Hugh die Augen, um den Nachtschlaf nachzuholen. Er wußte, daß er viel an Aussicht und Kenntnis seines weiten Landes versäumte, aber der Körper verlangte sein Recht. Der Eckplatz am Fenster war auch zum Schlafen gut geeignet. In alledem handelten und erlebten die drei in der gleichen Weise wie ein weißer Mann. Doch gingen ihre Gedanken und Hoffnungen andere Bahnen,

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