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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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geboren aus anderen Wirklichkeiten, auf andere Lebensziele gerichtet.
    Beim Wechseln des Flugzeuges in Seattle fanden sich die drei schon mitten im Schneewinter, den Martell als das erste Zeichen seines Heimatlandes mit tiefem Auf- und Einatmen begrüßte. Die Alaska-Airlines nahmen die Gäste zum Weiterflug auf. Die dick gepolsterten, mit rotem Plüsch überzogenen Sitze gaben eine neue Note; alle Ansagen an die Passagiere erfolgten in Versen, und die drei hatten ihren harmlosen Spaß daran. Das Mittagessen war schmackhaft. Beim Landen in Anchorage waren die Flügel des Flugzeugs bereits schwer vereist und mußten abgespritzt werden, ehe die Maschine den Weiterflug in das feinkörnige Schneegeriesel hinein begann.
    Ken, Martell und Hugh verließen den Flughafen und gelangten mit dem Bus in die Allee, in der das gesuchte große Bürohaus gelegen war. Die Hauptverkehrsstraßen waren von Schneepflügen verkehrssicher gehalten. Das Haus, eine Stahlkonstruktion, trug auf seinem Dach die Schneedecke wie eine weiße Mütze.
    In einigen wenigen der luftgefilterten Zimmer mit den großen Fenstern saßen Indianer und Eskimos, die die Arbeitsgebiete ihrer Organisation unter sich aufgeteilt hatten.
    Martell machte seine beiden Begleiter bei dem Leiter, dessen Stellvertreter und bei den drei Ressorts bekannt. Ken und Hugh verhielten sich schweigsam und legten ihre Maske nicht ab. Es ergab sich schließlich, daß der für Fragen des Erziehungswesens Verantwortliche Martell erwartet und sich Zeit für ihn aufgespart hatte. Er berichtete über Erfolge und Mißerfolge, über die wenigen, die in der Stadt einen auskömmlichen Job gefunden hatten, über die vielen, die in der Stadt im Elend lebten, über seine eigenen Kinder, die gute Schulen besuchten. Er fuhr seine Besucher zu der Verkaufsstätte von Eskimo-Kunsthandwerk, das im Lande gefragt war, und brachte sie zu drei Familien verschiedener Einkommensstufen.
    Hugh fragte überall nach Chapela, aber die Antworten waren nur Bedauern und Kopfschütteln.
    »Die Chapelas sind vor langer Zeit nach Fairbanks und von da noch weiter hinauf in den Norden gezogen«, erklärte Martell plötzlich, brach das Thema aber auch sofort wieder ab.
    Auf der Weiterfahrt erklärte der Organisationsmann den Stand der Verhandlungen mit der Regierung, die Eskimo- und Indianerland für ihre wirtschaftlichen Zwecke beschlagnahmen wollte. Das war der Punkt, an dem in Kens Augen das Signallicht aufleuchtete.
    »Ihr redet mit denen. Das Reden mit denen ist aber ganz vergeblich. Das haben wir nun vierhundert Jahre lang erfahren; genügt das nicht? Ihr müßt etwas tun. Was tut ihr?«
    »Die Gruppen dort wollen Widerstand leisten, wenn es nicht anders geht. Sie… ja…«
    »Sie…, aber ihr? Wir müssen zusammenhalten. Es muß ein Fanal geben, ›Rauchzeichen‹ muß es geben dafür, daß unsere Geduld erschöpft ist und daß wir uns nicht vernichten lassen. Sie wollen uns als Volk morden. Das ganze Land und die ganze Welt müßten es wissen, alle Stämme sollen es erfahren!«
    »Du hast recht. Aber das ist schwer.«
    »Schwer sein ist kein Argument. Unsere Generation ist verantwortlich für alle folgenden.« Ken hatte sich, während er sprach, ganz und gar verändert. Das, was die Weißen Unheimliches in ihm vermuteten, brach hervor, eine unzähmbare Leidenschaft.
    Der Mann am Steuer aber wiegte den Kopf.
    »Du hast wiederum recht. Wir haben unsere Organisation aufgebaut, um alle Eskimos und Indianer Alaskas zu einigen.«
    »Die Einigung muß weiter gehen. Und sichtbar muß sie werden. Sichtbar! Unsere Jugend verlangt es. Sollen wir lahmer sein als die Studenten?«
    »Hast du Pläne?«
    »Ja. Wenn ich die Männer und Frauen dafür finde.«
    Ken war nicht gewillt, weiter über das Thema zu verhandeln. Er schien seinen Gesprächspartner aufgegeben zu haben und glitt hinter seinen stumpffarbenen Vorhang zurück.
    »Ihr solltet nach Fairbanks fliegen«, sagte der Organisationsmann am Steuer. »Dort bist du doch zu Hause, Martell, und dort liegt noch alles im argen. Sie haben aber jetzt die Tundra-Times gegründet, und sie wollen ein Center schaffen. In die Redaktion müßt ihr gehen, zu Ely. Dort könnt ihr mehr erfahren und auch berichten.«
    »Wie kommen wir nach Fairbanks?« fragte Martell. »Sind die Straßen offen?«
    »Nein. Die Überlandstraßen sind alle durch den Schnee blockiert. Das kannst du dir denken, Martell. Ihr seid zu einer ungünstigen Zeit unterwegs, und dieses Jahr hat es besonders viel Schnee

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