Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
dem unserer Vorfahren zurückführt. Denn unsere Vorväter haben nicht vereinzelt gewohnt, sondern ihre Zelte wanderten immer zusammen in Gruppen. Es waren die weißen Männer, die unsere Großväter gezwungen haben, ihre Häuser vereinsamt zu bauen und ihre Gemeinschaft aufzulösen, und nun schelten sie uns noch, daß wir immerzu auf der Straße seien, um einander zu besuchen. Wir werden aber zu unserer eigenen Art zu leben zurückkehren. Auch ihr in der Schule dürft nicht müde werden und euren Nacken nicht krumm werden lassen unter dem Joch, das sie auf euch legen. Ihr sollt arbeiten und denken. Die Frauen und Männer, von denen Alice erfahren hat, kämpfen für uns, aber sie kämpfen ganz vergeblich, wenn wir nicht stehen.«
»Ich hoffe, Wasescha, daß sie uns ein großes Zeichen geben werden, und solange wir darauf hoffen, wollen Wakiya und ich noch nicht sterben.«
»Tatokala Taga! Der Tod kann ein Opfer sein, und so war es der Tod Tishunka-wasit-wins, der zwei Menschen getötet hat, Tishunka und Wakiya. Aber der Tod kann auch eine Sucht werden wie berauschendes Gift, und er kann eine Flucht werden. Vergiß nicht, daß ich dir das gesagt habe. Unser Stamm lebt in seinen Kindern. Jede Stufe des ›siebenstufigen Berges‹ ist hoch, und es kostet große Anstrengung, sie zu nehmen. Laufe mir nicht davon, wenn der Weg schwierig wird.«
»Dir?«
»Mir. Denn ich will mit Joe Inya-he-yukan zusammen etwas bewirken. Wir werden Rücken an Rücken stehen, und gleich, von wo die weißen Männer wie Carr und Wyman und Snider kommen, um uns zu zerquetschen und in ihren Teig einzurühren, sie werden immer dem Gesicht des Indianers begegnen, das zwei in eins ist. Willst du mit uns sein?«
»Ja – Wasescha.«
Tatokala, von ihrem Gefühl gepackt und geschüttelt wie von einem anspringenden Tier, wandte sich ab und verbarg ihr Gesicht am Hals des Scheckenhengstes. Sie zauste seine Mähne, so daß sie ihr mit ihrem eigenen Haar zusammen über Kopf und Nacken fiel. Mahan blieb an seinem Platz und wartete. Er wußte, daß Tatokala ohne Laut weinte. Als sie den Kopf lange nicht hob, legte er ihr die Hand auf die Schulter. Sie richtete sich ganz auf und wandte sich ihm zu, und er ging langsam mit ihr zusammen zu der Blockhütte.
»Der Bund zwischen dir, Wasescha, und mir ist geheim«, sagte Taga im Gehen, und ohne Hugh anzublicken. »Niemand wird durch Worte davon erfahren, nur durch die Art, wie ich für unseren Stamm handeln und leben will.«
»Niemand«, antwortete Wasescha, »wird davon hören, ehe wir nicht gemeinsam beraten und beschlossen haben zu sprechen.« Die Blockhütte war erreicht, und die beiden traten ein. Sie fanden Inya-he-yukan und Tashina.
Die junge Malerin stand vor ihren Skizzen, die sie zu einem neuen Bild entworfen hatte. Es war noch nicht zu erkennen, zu welcher Sinnmitte sie sich eines Tages zusammenfügen würden.
Joe und Gerald, beide müde von der Tagesarbeit, hatten sich in Stiefeln auf das eine der Gestelle ausgestreckt. Hetkala, Iliff, Wakiya saßen auf dem zweiten Gestell und rückten zusammen, damit auch Wasescha und Tatokala noch Platz fanden. Jerome war drüben im gelben Haus bei den Zwillingen und den drei Kleinsten; er kochte, damit Tashina und Hetkala sich eine Pause gönnen konnten. Das war den Frauen neu. Aber vielleicht tat er es auch nicht nur um ihretwillen, sondern weil er nicht sehen mochte, wie Tatokala Taga bei Mahan und Wakiya in der Hütte saß. Hanska fehlte. Er hatte die Erlaubnis erhalten, die Weiden noch einmal abzureiten.
Fahrt ins Eisland
Weihnachten rückte heran.
Die schweren Herbstnebel über der Bai von San Francisco hatten sich aufgelöst. Unter diesigem, hohem Himmel war es kalt, feucht und windig geblieben. Die Universitätsferien hatten begonnen. Ken Mitchum, Indianer, Student an der State University von California in Berkely, lief, sein Reiseköfferchen in der Hand, die gerade breite Straße vom Hügel des Universitätsgeländes abwärts. Seinen ursprünglichen Absichten entgegen stockte er auf der Höhe eines der Universitätsgebäude und ging halb wider Willen, wie ein Eisen, das der Magnet anzieht, zu dem kleinen Museum, das eben sein Tor öffnete. Es war eine völkerkundliche Sammlung. Ken liebte dergleichen nicht; er fühlte sich in solcher Umgebung stets wie ein seltsames Tier, mit der Geschichte seiner Ahnen ausgeliefert den Augen, die auf Neues und auf Wissen gierig waren, die bloßstellten und sezierten. Doch hielt sich an diesem Tag und zu
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