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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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dieser Stunde kein anderer Besucher in den Räumen auf.
    Ken strebte unbeobachtet, mit sich selbst allein, zu einem Schaukasten, dessen Glaswände den Beschauer nur von einigen Pfeilspitzen abtrennten, einfachen Arbeiten, vor nicht langer Zeit von einem kalifornischen Indianer angefertigt. Das einzig Besondere daran war für den durchschnittlichen Museumsbesucher die ungewöhnliche Präzision der Arbeit und vielleicht der von dem Erläuterungstext gegebene Hinweis, daß dies Arbeiten des Letzten seines Stammes waren, der einige Jahre seines still gewordenen jungen Lebens am Museum verbracht hatte und hier gestorben war. Ken löste den Blick von den Pfeilspitzen ab und schaute lange auf das Bild Ishis, der sie zugerichtet hatte. Die Sanftheit, Würde und unauslöschliche Trauer dieses Antlitzes ergriffen ihn immer von neuem, und immer tiefer fraß sich sein Entschluß in ihn hinein, etwas zu tun, um das Schicksal seines Volkes zu wenden.
    Er verließ das Museum und ging weiter hügelabwärts.
    An der Telegraph Street, deren nach links führender Teil Revier der Hippies war, bog er nach rechts ein. Er kaufte sich aus einem Automaten die Volkszeitung und fand zweihundert Meter weiter das chinesische Restaurant, das er aufsuchen wollte; die Preise dort entsprachen dem Rest seines Arbeitseinkommens, der übrigblieb, wenn er sein teures Studium bezahlt hatte. Ken erhielt kein Stipendium.
    In dem kleinen Speiseraum des Restaurants war es angenehm warm. Ken fand seinen Stammplatz an einem Tisch rechts hinten frei, setzte sich und hatte auch schon die Speisekarte in der Hand. Er wählte ein Reisgericht, als zweites ein Fischgericht. Die Mahlzeit sollte die einzige des Tages für ihn sein. Niemand schaute ihn darum an, weil er eine braune Haut und schwarzes Haar hatte.
    Es war Vormittag, und die Freunde, die Ken sonst hier zu treffen pflegte, waren noch nicht da; er hatte sich am vergangenen Tag von ihnen verabschiedet.
    Sobald er aufgegessen, den Preis erlegt und ein kleines Trinkgeld gegeben hatte, das dankbar angenommen wurde, lief er weiter hinunter zur Hauptstraße und wartete mit zahlreichen Männern und Frauen zusammen auf den Bus nach San Francisco.
    Mochte es die stumme Begegnung mit dem Bilde Ishis und mit den Steinen gewesen sein, an denen seine Hände noch gearbeitet hatten, waren es die Pläne, die Ken Mitchum auf seiner Reise einen Schritt weiter bringen wollte, er fühlte sich von den Wartenden rings um ihn heute viel entfernter, als man sich gemeinhin von unbekannten Menschen fühlen konnte. Er war ein Indianer. Was wußten sie von ihm?
    Ken trug keinen Hut. Er hatte seine Haare vom Wirbel an tief in die Stirn, rückwärts bis in den Nacken gekämmt; wie eine schwarze Helmhaube umgab und schützte das dichte Haar; er brauchte auch im kalten Wind keine Mütze. Die Seehundsjacke mit nach innen gekehrter Fellseite mochte ihm als zu warm für einen Winter von San Francisco erscheinen; er hatte sie nicht geschlossen.
    Seine Züge aber hatte er ganz verschlossen, sein Inneres war zugeknöpft, und wer ihn nicht kannte, hätte den Ausdruck seines Gesichts stumpf genannt, oder nein – doch nicht, denn es schien sich für Fremde etwas Unheimliches dahinter zu verbergen. Der Ausdruck war nicht gefahrlos oder unbrauchbar wie ein stumpfes Messer, aber undefinierbar wie eine stumpfe Farbe, deren Leuchten andere Bedingungen brauchte, als sie an diesem Morgen in dieser Umgebung bestanden.
    Der Bus kam. Alle Wartenden fanden Platz.
    Der erste Teil der Fahrt erschien Ken langweilig, sofern er nicht mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war. Einige Banken, viele einstöckige Einfamilienhäuser glitten vorüber, ohne daß er sie bewußt wahrnahm. Ein Strand war nicht zu sehen; er existierte an dieser Seite der Bai nicht. Das verschmutzte Wasser spülte an bebautes und genutztes Gelände. Ken wachte für seine Umgebung erst auf, als der Bus in die enormen Brückenkonstruktionen einfuhr, die die Bucht querten, den Blick zum Goldenen Tor und zum Meer freigaben und nach San Francisco, der Stadt auf den Hügeln, hinüberführten. Der Busbahnhof, größer als mancher große Bahnhof der Eisenbahn, wurde erreicht. Schnellfüßig lief Ken die Treppen hinab und erreichte den Stadtbus, der ihn durch die Schluchten hoher Häuserreihen in das Zentrum brachte. Der überragende Hausturm von »Wells Fargo« erinnerte ihn an viele Western-Filme, die ihm in der Schule gezeigt worden waren und die er sich heute nicht mehr ansah. In der Zeit der

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