Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
möchte ich Sie bitten. Wir haben hier untereinander und mit der Presse ausgemacht, daß die illegale Indianerversammlung totgeschwiegen wird, jedenfalls so lange, bis der Prozeß überstanden ist. Selbst wenn wir gewisse Konzessionen machen, um beruhigend zu wirken, so darf es doch keinesfalls den Anschein haben, als ob wir einem Druck nachgeben.«
»Mister Laughlin, wer spricht von Konzessionen? Schuldig oder Nicht-Schuldig…«
»Ja, das ist hier die Frage. Aber Sie verpflichten sich auch zur Diskretion?«
»Schweigen über diese Sache erscheint auch mir zweckmäßig.«
»Gut, gut.«
Laughlin nahm einen zweiten Drink, hielt sich aber nicht mehr lange bei Miss Green auf. Lucie schlief in dieser Nacht nur wenig und wurde von Träumen verfolgt.
Im Präriegelände der Reservation ging die Versammlung ihrem Abschluß zu. Nach mehreren anderen Rednern hatte Hugh Wasescha Mahan das Schlußwort zu sprechen.
Er stand wieder auf dem Grashügel, der Überblick über die Versammelten gewährte. Sie hatten vollzählig ausgeharrt und lauschten mit verstärkter Aufmerksamkeit, als Mahan noch einmal das Wort ergriff. Er war nicht nur mit seinen Worten und Taten, er war auch nach Gestalt und Kleidung ein Ausdruck dessen, was sie unter Indianertum verstanden, und er war mehr als er selbst, da er den Stamm für sie verkörperte. Mahan sah zum erstenmal in seinem Leben eine so große Menge seines Volkes versammelt. Was für ein großartiges Volk war es, das seit hundert Jahren alle Leiden und Mißhandlungen überstanden hatte, mächtig noch in seiner tiefsten Ohnmacht. Inya-he-yukan war sein Häuptling, Wasescha sein Sprecher.
»Männer und Frauen! Wir sind zusammengekommen, und wir verlangen Gerechtigkeit für Indianer vor weißen Gerichten – Gerechtigkeit für Joe Inya-he-yukan King. Er soll nicht auf dem elektrischen Stuhl zu Tode gefoltert werden, weil er das Leben eines unserer Kinder gerettet hat.
Wir fordern das Recht, unsere Kinder nach unserer Weise zu erziehen und die Lehrer auf demokratische Weise zu kontrollieren. Wir brauchen Arbeit für unsere Jugend. Wir brauchen die Lederwarenwerkstatt, die wir seit Jahren verlangen.
Wir müssen mehr Ärzte für unsere Kranken haben. Warum werden indianische Ärzte nicht bei Indianern eingesetzt? Wir verlangen, daß der Boden unserer Reservation, der letzte unseres großen Landes, der uns geblieben ist, uns gehört und nicht ohne unsere Zustimmung an weiße Pächter gegeben werden darf. Wir besitzen Erfahrung genug, um selbst zu urteilen, was gut für uns ist. Wir werden nicht nachlassen, unser Recht zu fordern, für uns und für unsere Kinder. Ich habe gesprochen. Hau.«
Einige Teilnehmer hatten Trommeln mitgebracht, und sie schlugen sie jetzt, je vier Männer eine Trommel, so daß der Schall weithin über die Prärie hallte. Es ging schon der Nacht zu. Am Himmel blinkten die Sterne auf. Wind erhob sich. Die Trommeln dröhnten lange; sie sprachen für das Volk und stärkten den Willen aller, die sie hörten.
Als die Trommelschläge verklangen, löste sich die Versammlung langsam auf. Hugh Wasescha fand sich mit Queenie, Melitta und den Kindern zusammen. Sie gingen miteinander zur Straße. Hugh wurde noch von dem und jenem angesprochen und hatte Fragen zu beantworten. Keiner hatte einen so überwältigenden friedlichen Erfolg der Versammlung erwartet. Alle waren froh darüber.
Mahan ging an das Steuer seines Wagens. Queenie setzte sich neben ihn. Tatokala und Hanska fanden auf der Rückbank Platz. Melitta nahm in ihrem Wagen Stan und Stephe, Wakiya und Elwe mit.
Die Fahrt zum Tal der Weißen Felsen begann.
In der Agentursiedlung wurde der Wagen von einem erheblichen Polizeiaufgebot gestoppt und Mahan aus dem Wagen herausgeholt. »Fahren Sie weiter!« sagte der lange indianische Polizist zu Queenie. »Die Versammlung war illegal. Wir haben ein paar der Veranstalter verhaftet. Bis morgen jedenfalls.«
Tief in der Nacht erreichte das Fahrzeug ohne Mahan die King-Ranch.
Irene Oiseda kam aus dem Haus und begrüßte die Heimkehrenden. Sie bat darum, daß sie leise sein möchten, da die Kinder und Magasapa schon lange schliefen.
Außer Tashina wollten alle die Nacht in dem großen Zelt verbringen, das in der Hitze luftiger war als die Häuser, da man die Zeltwand nach Belieben nach oben aufschlagen konnte. Queenie, die Mutter, ging zu den jüngsten Kindern ins Haus. Alle fünf schliefen sanft in ihren Betten, die Zwillinge miteinander, die drei Jüngsten auch
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