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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gesprochen. Langsam schob sie sich vor, niemand hinderte sie. Sie wollte den Sprecher deutlicher erkennen. Als sie ihm nahe genug stand, weiteten sich ihre Augen. Sie versuchte, ob die Frau neben ihr bereit sein würde, eine Auskunft zu geben.
    »Spricht da Joe King? Ist er denn freigelassen?«
    Lucie Green hatte Joe King als Zeuge in dem Prozeß gegen George Mac Lean gesehen und seine Stimme gehört.
    Die Frau drehte den Kopf langsam der Fragerin zu.
    »Joe King haben sie eingekerkert und werden ihn ermorden. Aber der da spricht, das ist Hugh Mahan.«
    Die Frau wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Redner zu. Lucie kam sich klein und verloren vor in der Masse der lauschenden Indianer, unter den Wellen der Stimme, mit der Joe King zu sprechen schien.
    Sie versuchte sich zurückzuziehen.
    Die Umstehenden gaben ihr höflich, wenn auch unwillig über die erneute Störung, Raum.
    Als sie ihren Wagen erreicht hatte, merkte sie erst, daß sie am ganzen Körper naß von Schweiß war und daß ihre Hände leicht zitterten.
    Die Indianer hatten die verbotene Versammlung erzwungen. Was würde noch alles geschehen?
    Lucie Green fuhr sehr schnell nach New City zurück und suchte Ruhe in der Abgeschlossenheit ihres Häuschens.
    Es war längst Abend. Sie hatte das Licht angeschaltet und verzehrte ein Toastbrot. Dann rief sie Laughlin an, den älteren Herrn, auf dessen Meinung sie immer viel gab.
    »Miss Green? Sie waren mitten unter den Indianern? Fabelhaft, Ihre Courage. Wenn es Sie nicht stört, so komme ich sofort zu Ihnen!«
    »Ja, bitte.«
    Lucie Green war sehr überrascht, auch erfreut über die Bedeutung, die Laughlin ihren Informationen zumaß. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sein Wagen vor dem Häuschen hielt und Miss Green ihn bitten konnte, im Sessel in ihrem Wohnzimmer Platz zu nehmen.
    »Entschuldigen Sie nochmals die späte Störung.« Laughlin nahm Drink und Salzgebäck an. »Aber es ist tatsächlich hochinteressant, daß Sie dort gewesen sind! – Die Polizei, fragen Sie? Hat Befehl erhalten, sich zurückzuziehen, tatsächlich. Die Indians hatten ihre Jagdgewehre bei sich. – Sie haben beobachtet, daß alles in Ruhe verlief? Tatsächlich eindrucksvoll? Erstaunlich. Ja, die Sache wird wohl Folgen haben.«
    Laughlins Worte rauschten schnell, seinen sonstigen Sprachgewohnheiten ganz entgegen. »Urteil ohne Geschworene ist das nächste Mal nicht erwünscht, nein, Miss Green, sicher nicht. Man will die Verantwortung mit auf die Schultern von uns Bürgern legen. – Wie? Ja, möglicherweise werde ich unter den Geschworenen sein. Sie vielleicht auch – wer weiß? Verdammte Sache. Ganz verdammt. Wie könnten wir einen Indianer freisprechen, der auf der Reservation seinen weißen Nachbarn erschießt? Unausdenkbar. Wäre ein Freibrief für weitere Morde! Aber wie sollen wir Joe King zum Tode verurteilen, wenn es daraufhin einen Aufstand gibt? Miss Green, wir sind in der Klemme. Das haben die Indianer erreicht. – Ja – Mulkey hat übrigens die Verteidigung Kings niedergelegt. King will ihn nicht haben und ist in Hungerstreik gegangen, und außerdem hat Mulkey bei den Meldungen über die Versammlung tatsächlich Angst bekommen, falls er die Verteidigung Kings sozusagen gegen King führen würde – was ja wohl beabsichtigt war.«
    »Aber wieso Meldungen, Mister Laughlin? Auf welchem Wege denn?«
    »Aber Miss Green, durch das Telefon natürlich. Der Superintendent der Reservation, der Polizeichef von New City und unser Gerichtspräsident waren bzw. sind laufend in Verbindung, und ganz natürlich haben sich auch einige Querverbindungen ergeben. Der Prozeß gegen King wird so schnell wie möglich stattfinden. Die Sache muß aus der Welt geschafft werden, ehe noch mehr Schlangen aus diesem Ei schlüpfen. Auch ich weiß wirklich nicht, was man am besten tun sollte. Todesurteil und Begnadigung zu lebenslänglicher Haft – oder vielleicht Totschlag unter Zubilligung mildernder Umstände – sechs Jahre Haft. Unser Staatsanwalt ist allerdings scharf, kompromißlos gegen Farbige, und die Aussagen der alten Missis Mac Lean werden die biederen Bürger unter uns Geschworenen sehr beeindrucken. Bleibt vermutlich nichts übrig als ›lebenslänglich‹ im Gnadenwege.«
    »Mister Laughlin«, antwortete Lucie bestimmt, »wovon reden Sie? Die Geschworenen haben nichts weiter als das Schuldig oder Nicht-Schuldig zu sprechen.«
    »Sicher, sicher, Miss Green. Sie sind ein Charakter. Das ist es, was ich an Ihnen schätze. Aber um eines

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