Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
das Seitenfenster konnten Sie die Wagen sehen. Die Tür aber war sofort nach dem Schuß auf Jerome geschlossen. Von wo aus haben Sie Ihren Gatten weiter beobachtet?« Die Zeugin war verwirrt.
    »Überlegen Sie ruhig, Missis Mac Lean. Es hat sich damals alles sehr schnell abgespielt. Hatte Ihr Haus ein Rückfenster? Ich meine, befand sich in der Türwand noch ein Fenster?« Mrs. Mac Lean starrte Leroy an.
    »Nein«, sagte sie ohne Ton in der Stimme.
    »Nach dem Schuß auf Jerome konnten Sie also Ihren Gatten nicht mehr sehen. Die Tür war zu. Die Fenster gingen alle in eine andere Richtung. Wenn Sie überhaupt beobachtet haben, daß ihr Gatte ein Zeichen gab, so muß es wohl zuvor das Zeichen gewesen sein, mit dem er Ihren Sohn George aufforderte, auf Jerome zu schießen, nicht wahr?«
    Mabel Mac Lean öffnete und schloß die Lippen mehrmals. »Ja«, sagte sie schließlich, um die subjektive Wahrheit ihrer eidlichen Aussage wenigstens noch auf dem angebotenen Umwege zu retten.
    »Das ist geklärt. Es war Ihnen ein Gedächtnisirrtum unterlaufen in bezug auf Minuten höchster Erregung. Nun die Frage, wieso Sie Joe King bei den Wagen gesehen haben, als er schoß, während King selbst und auch Ihr Sohn George bei der ersten Vernehmung auf der Polizei übereinstimmend ausgesagt haben, daß King über den Rücken der Stute weggeschossen habe, die ziemlich entfernt von den Wagen stand.«
    »Ich habe King aber bei den Wagen erkannt und gesehen, wie er anlegte.«
    »Unmittelbar nach dem Schuß auf Jerome?«
    »Ja.«
    Der Staatsanwalt war sichtlich unruhig, aber konnte gegen die Fragen Leroys nichts einwenden.
    Die Geschworenen hörten jetzt alle gespannt zu, einige mit merkbarem Ärger darüber, daß eine scheinbar klare Sache unklar und eine angesehene Witwe in Verlegenheit gebracht wurde.
    »Ich glaube«, sagte Leroy in beschwichtigendem Ton, den er mit einer beschwichtigenden Handbewegung unterstützte, »daß ich auch diesen letzten Irrtum aufklären kann. Ich bitte für eine beweisnotwendige Demonstration den von mir als Verteidiger geladenen, in Polizeihaft befindlichen Zeugen Hugh Mahan vorzuführen, und zwar in der Kleidung, die ich jetzt dem Präsidium des Gerichts übergebe. Ich bitte Euer Ehren« – Leroy wandte sich an den Richter –, »dies zu veranlassen.«
    Der Anwalt legte die Cordjacke, die Jeans und das Hemd auf den Richtertisch.
    »Genehmigt.« Richter Wilson sagte es in einer Mischung von Ärger und der Spekulation, daß sich hier nicht nur für Joe King, sondern auch gegen Mahan etwas entwickeln könne.
    Der Gerichtsbeamte, der die Kleidung in Empfang nahm, flüsterte dem Richter etwas zu, worauf dieser ihn anschnaubte: »Dann hängt er die Jacke eben über die Schulter!« Nach einer überraschend langen Wartezeit wurde Hugh Mahan in der angeordneten Kleidung hereingeführt. Seine linke Schulter lag im Gips-, der Arm im Streckverband. Es war tatsächlich nicht so einfach gewesen, ihn umzukleiden, wie jedermann geglaubt hatte. Das weiße Hemd war aufgeschnitten, die Jacke hing über der Schulter.
    Hugh wurde zu Joe geführt, und die beiden stellten sich dicht nebeneinander; der Blick des Einverständnisses, den sie wechselten, wurde nicht bemerkt.
    An der Geschworenenbank und in den Zuhörerreihen entstand Unruhe. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Der Richter klopfte auf den Tisch, es wurde wieder still. Leroy fragte weiter.
    »Missis Mac Lean, können Sie auf Ihren Eid nehmen, welchen dieser beiden Männer Sie bei den Wagen gesehen haben, als er das Gewehr anlegte? Auf über 400 Schritt Entfernung? – Sie schweigen. Ich sehe, Sie können es nicht. Es gibt wohl auch niemand, der es vermöchte. Sie stimmen mir zu, wenn ich annehme, daß Sie Joe King und Hugh Mahan verwechselt haben?«
    »Ja. Mahan war auch ein Feind meines Mannes. Es kann durchaus sein, daß er geschossen hat.«
    »Es kann durchaus nicht sein, Missis Mac Lean, denn er besitzt ein Harris-Rifle, nicht eine Remington, das tödliche Geschoß ist polizeilich festgestellt, und die Harris ist überprüft worden, sie war nicht benutzt. Aber auch Mahan hatte angelegt, um Byron Bighorn, der sich noch auf dem Friedhof befand, zu schützen. Ihr Irrtum ist also verständlich. Allerdings hat sich ergeben, daß die Aussagen, die Sie machen können, in keiner Weise von Belang sind, denn Sie konnten Ihren Gatten im entscheidenden Augenblick nachgewiesenermaßen nicht sehen und haben, was den Schützen anbelangt, Joe King mit Mahan verwechselt. Keine

Weitere Kostenlose Bücher