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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Männern, die schon mehr als einmal auf Menschen geschossen haben, nicht. Die Tat war überlegt! Seit Monaten herrschte Kriegszustand zwischen den beiden Ranches. King hat den Mac Leans das Brunnenwasser verweigert und die Auffahrt blockiert. Philip Mac Lean hatte schriftlich vor dem Betreten seines Geländes gewarnt. Der Angeklagte ist in einer heruntergekommenen Familie aufgewachsen. Seine Mutter hat den betrunkenen Großvater mit der Axt erschlagen, in Notwehr natürlich, um das Kind zu retten; der Vater ist bei einer Schießerei unter Betrunkenen ums Leben gekommen. Der kleine Joe war mit acht Jahren ein zielsicherer Schütze, aber ein schlechter Schüler. Mit achtzehn ist er ein Gangster geworden. Er hat mehrfach unter Mordverdacht gestanden und hat zwei Männer in ›Notwehr‹ erschossen, als er bereits ein erfolgreicher Rancher der Reservation war. Jetzt ist Mac Lean sein Opfer geworden. King provozierte, um den Nachbarn, den er nur seiner weißen Haut wegen haßte, unter einem Vorwand beseitigen zu können. Ich plädiere auf Mord und beantrage das Todesurteil für den Angeklagten!«
    Alle Geschworenen waren dem Plädoyer des Staatsanwalts gespannt, die meisten waren ihm mit augenscheinlicher Befriedigung gefolgt. Jeglicher Zweifel schien beseitigt. Die angesehenen Bürger von New City wußten bereits, wie sie abstimmen würden.
    Als Leroy sein Plädoyer begann, ließ die Aufmerksamkeit der Geschworenen in einer für den Anwalt fast beleidigenden Weise nach. Nur Miss Green und Mr. Laughlin schienen überhaupt zuzuhören, Miss Green vielleicht aus einem gewissen Interesse, auch um die Bedeutung einer Geschworenen und ihrer Urteilsfindung zu betonen. So schätzte Leroy sie ein. Bei Laughlin vermutete er eher Erziehung zur Höflichkeit und zur Achtung vor dem Gerichtswesen überhaupt als einer staatlichen Institution. Vielleicht begriff Laughlin auch eher als seine Mitgeschworenen das Prekäre der Entscheidung. Der Anwalt richtete das Wort an diese beiden, in denen er Zuhörer für seine Ausführungen fand. Die Stimmung im Saal war gegen ihn. Unter allen, die Einlaß gefunden hatten, war nur eine Handvoll Menschen, die um Joes Leben zitterten und die Hoffnung schon so gut wie aufgegeben hatten. Ihre Augen hingen an Leroys Lippen. Von Joe Inya-he-yukan selbst konnte niemand sagen, was er hörte und sah oder was er nicht hörte und nicht sah. »Stellen Sie sich den Augenblick vor«, begann Leroy, »stellen Sie sich den Augenblick vor, in dem ein junger Mann, ein Gärtnerssohn, der eben das Baccalaureat bestanden hat, ein freundlicher und friedlicher Mensch, bei allen beliebt, niedergeschossen wird, nur weil er versuchen wollte, mit den Nachbarn zu sprechen und ein Pferd wiederzubekommen, das infolge eines rauhen Scherzes der Mac Lean-Cowboys und durch seine Ungeschicklichkeit auf die Nachbarranch entlaufen war. Jerome Patton lag in seinem Blut, zwei Schritt von der Friedhofsgrenze entfernt. Joe King konnte in diesem Moment nicht etwaige Befürchtungen der Mac Leans durchschauen, er mußte in der Bedrängnis dieses Augenblicks mit der Gefahr rechnen, daß auch Byron Bighorn, der waffenlose Fünfzehnjährige, ein durch Epilepsie schwer behindertes Kind, erschossen werden würde. Er nahm wahr, wie Philip Mac Lean abdrücken wollte. Die gegenteilige Aussage von Missis Mabel Mac Lean hat sich als völlig irrig erwiesen, und Missis Mac Lean darf sehr froh sein, wenn der Staatsanwalt von einer Meineidklage gegen sie absehen sollte. King schoß, um sein Pflegekind, ein Waisenkind, zu retten. Daß die Mac Lean-Ranch nie durch die King-Ranch bedroht war, geht schon daraus hervor, daß Mister Philip Mac Lean das Ranchgelände der Kings mehrfach betreten und dort sogar unerlaubte Handlungen vorgenommen hat, ohne beschossen zu werden, daß seine Cowboys mehrfach auf dem Gelände der Kings gewesen sind und Mister King ihnen behilflich war, entlaufene Kühe wieder zurückzutreiben, daß sich endlich Kings-Cowboy Gerald mit den Mac Lean-Cowboys auf die einfachste Weise geeinigt und am fraglichen Tage den entlaufenen Hengst auf dem Mac Lean-Gelände eingefangen hat. Alle Cowboys waren am Tag der Tat, wie üblich, bewaffnet, so wie auch Joe King, der sich für das Einfangen des Pferdes ausgerüstet hatte. Der erste Schuß ist von der Mac Lean-Seite gefallen. Joe King hatte keinerlei Motive für seinen Schuß außer dem der Bedrohung durch die Mac Leans. Er ist ein erfolgreicher Rancher, ein verantwortungsbewußter Gatte und

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