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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Indian Hospital verständigt werden müsse.
    »Vergessen Sie Ihr Hemd und Ihre Weste im Klassenzimmer nicht«, erinnerte Miss Hay im Gehen. Sie sprach undeutlich zwischen geschwollenen Lippen.
    »Ich hole nachher meine Sachen. Die Indianerkinder sind diebisch, nicht wahr? Sie haben Ihre Instruktionen gut im Kopf, Miss Hay.«
    Die junge Lehrerin wollte einen wütenden Blick mit Mahan kreuzen, aber er gab seine Augen für sie nicht frei. Hugh Mahan blieb am Bett des Kranken sitzen. Jedermann in der Lehrerschaft war froh, daß er diese Aufgabe übernahm, während die Rätin ihre kritische Inspektion fortsetzte. Byron wollte nichts essen, und Hugh verspürte keinen Hunger. Nach einiger Zeit begann der Kranke zu sprechen, immer in seiner Muttersprache, die in diesem Haus verboten war. »Wenn Mary und Harry heimkommen, erzählen sie meinem Pflegevater und meiner Pflegemutter, daß ich hier bin. Einer von den beiden kommt dann.«
    »Gewiß.«
    »Mein wahrer Name ist Wakiya-knaskiya. Wie heißt du?«
    »Wasescha.«
    »Das ist gut. Bleibe ich heute nacht bei dir?«
    »Wenn der Arzt nicht vorher kommt und dich wegholt.«
    »Doc Eivie ist gut. Wenn ich will, läßt er mich noch hier.«
    »Du kennst ihn?«
    »Schon lange.«
    Mahan ging und holte sich seine Sachen, die an einen der Garderobenhaken der 9. Klasse gehängt worden waren, zupfte Hemd und Weste sehr genau zurecht und meldete sich im Direktionssekretariat. Die Sekretärin, eine Weiße, war von der Superintendentur an die Schule versetzt, da Mr. Carr eine ihm bekannte neue Sekretärin angefordert hatte. Die gewandte und korrekte Twen hatte bereits mit Eivie telefoniert. Er hatte strikte Ruhe angeordnet und wollte gegen Abend des nächsten Tages selbst kommen. Als Byron durch Hugh davon erfuhr, legte sich ein ungewöhnlicher Ausdruck des Friedens über sein Gesicht.
    »Ich werde also morgen hier sein, wenn sie es tut. Wasescha, du sollst mir helfen. Ich muß Patricia Bighorn sprechen – Tishunka-wasit-win.«
    Mahan sagte zu. »Ich versuche es. Ehe sie heute nachmittag heimfährt.«
    Hugh hatte lange genug im Internat gelebt, um zu wissen, wie man etwas einrichtet, was nicht jedermann zu erfahren braucht. Um vier Uhr kam Patricia Bighorn, mit ihrem wahren Namen Tishunka-wasit-win genannt. Es fiel Hugh auf, daß das Mädchen anders als an anderen Tagen gekleidet war. Sie trug das dichte schwarze Haar nicht in Zöpfen, sondern offen, so daß es bis über die Schultern fiel. Ihr schlichtes Kleid war in seinem Schnitt altindianischer Kleidung ähnlich; um den Hals hatte sie eine Kette mit dem Zeichen des achtzackigen Sternes gelegt.
    Mahan ließ sie allein mit Byron Wakiya.
    Sie kam bald von selbst wieder zu Hugh, der gesagt hatte, daß er bei Lehrer Ball in dessen Bibliothek zu finden sei. Der ungewöhnliche Friede, der über Byrons Zügen nach dem Anfall lag, hatte sich auch über die ihren gebreitet. Mahan packte ein Gefühl, als ob sich etwas zwischen ihn und diese jungen Menschen gelegt habe, breit wie ein Strom, unüberschreitbar. Auch Ball schien tief berührt, als das Mädchen wieder ging. Er schaute noch lange nach der Tür, als sie sich hinter Patricia schon wieder geschlossen hatte. Doch störte er Hugh mit keiner Frage, als dieser sich stumm über die Bücher beugte, die zu lesen und zu vergleichen er sich vorgenommen hatte. Als sich Hugh aber nach einer Stunde verabschiedete, um wieder bei dem Kranken Wache zu halten, sagte der Lehrer:
    »Es ist irgend etwas da unter den Kindern, was wir nicht wissen. Ich spüre es heute wie fremde Luft, die sich aber mit Händen nicht greifen, mit Ohren nicht hören und mit Augen nicht sehen läßt.«
    Hugh Mahan zuckte die Achseln. Er hatte Angst um Byron und Patricia.
    »Dringen eigentlich irgendwelche Informationen aus der Außenwelt bis zu Ihnen?« fragte Ball.
    »Warum fragen Sie?«
    »Sie haben recht, ich könnte es mir denken. Der Essenfahrer, der Begleitfahrer, der Frisör, die Köchin und die Küchenhilfe, die Internatschüler, von da zu dem Sportlehrer Mahan. Sie wissen also auch, daß die Büffelranch der Kings aufgelöst werden soll? Carr ist wahnsinnig. Sie haben nicht erlebt, wie das war, als die Büffel wiederkamen… Ein Büffel hier ist für den Indianer eben mehr als einige Zentner Fleisch und eine im Handel neuerdings wieder gesuchte Haut.«
    »Yes, Mister Ball, ich weiß.«
    Der Lehrer stützte den Kopf in die Hände.
    Als Mahan in sein eigenes Zimmer zurückkam, lag Byron Wakiya unverändert ruhig, lang

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