Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
sprach sogleich mit seinem Pflegevater.
Hugh wartete in einiger Entfernung. Als King ihn mit einer höflichen Handbewegung einlud mitzukommen, stieg er ein. Der Sitz neben dem Fahrer war ihm vorbehalten geblieben. Die Kinder drängten sich auf der Rückbank.
Die Straße lag einsam und leer. Joe trieb seinen Wagen in Sekunden auf 120 Meilen die Stunde; er rechnete wohl damit, daß die Polizei sich heute, am Begräbnistag, nicht sehen lassen würde. Die Fahrt von Norden nach Süden ging durch gelbbraunes verdorrtes Grasland, bis sich das Tal auftat, dessen ausgewaschene Hänge zur Linken als weiße Felsen leuchteten. Joe verlangsamte sein Tempo und bog rechter Hand in einen unbefestigten Weg ein, der hinauf zu dem gelben Haus und zu der alten Blockhütte führte, den Behausungen der Familie King.
Nach dem Aussteigen hatte Hugh Zeit, ringsum zu schauen, denn er wurde nicht sogleich angesprochen; man überließ ihn erst sich selbst.
Die Wiesen am Hang hier waren grüner als andere, oben auf dem Kamm der Anhöhe befand sich eine Brunnenanlage, die Wasser spendete. Unmittelbarer Nachbar der King-Ranch war die Handwerksschule im hellblauen Holzhaus mit dem dazugehörigen Gelände für die Kleintierzucht. Auch dorthin führte vom King-Brunnen aus eine Wasserleitung. Zwischen dem King-Haus und der Handwerksschule befand sich der alte Friedhof. Das Gras wiegte sich in dem Wind, der den Kindern der Prärie vertraut war. Die weißen Holzkreuze standen nach den Stürmen von Frühling und Sommer nicht mehr gerade; sie mußten wohl jedes Jahr zweimal gerichtet werden. Ein Stab aber stand fest; er war am oberen Ende gebogen und trug ein Bündel Adlerfedern zum Zeichen für einen Häuptling, der hier unter der Erde lag. Tishunka-wasit-wins Grab war schon ausgehoben; Erdbrocken lagen am Rande der Grube.
Byron Wakiya saß an dem Häuptlingsgrab und schaute nach der Grube, in sich verloren, so, als ob er schon immer da gesessen habe und auch für immer da bleiben werde. Er schien die Ankommenden nicht bemerkt zu haben.
Joe füllte den Benzintank des Jaguar nach und lud noch Reservekanister ein. Hanska lief sofort zu den Pferden, die sich hinter der Blockhütte in einer Koppel befanden. Ein Scheckhengst und eine gefleckte Appalousa-Stute fielen Hugh auf, auch ein Schecken-Pony, mit dem Hanska besonders zärtlich sprach.
Mit diesem Pony hatte der Junge schon im Wettbewerb mit erwachsenen Reitern einen Rodeopreis der Reservation gewonnen; das war das erste gewesen, was die Internatsschüler ihrem Sportlehrer berichtet hatten, als sie ihm gegenüber überhaupt einmal den Mund auftaten.
Mahan ging ein paar Schritte umher, sah drei braunhäutige kleine Kinder spielen und beobachtete eine junge Frau, die aus dem hellgelben Haus kam, in dem sich schon Trauergäste eingefunden zu haben schienen. Ein fremder Wagen stand auf der Wiese.
Die junge Frau, die an Hugh vorbei der Blockhütte zulief, war schön; ihre Art, über das Gras zu gehen, war sanft, ihr Gesicht war traurig und wie von Schleiern der beginnenden Dämmerung überhängt.
Vielleicht hatte Mahan einen Augenblick geträumt, denn er reckte sich mit einer plötzlichen Bewegung auf, als Joe herangekommen war, ihn ansprach und dadurch, daß er selbst den Weg zum Friedhof einschlug, auch Hugh dorthin mitnahm.
Die beiden Männer waren auf dem Friedhof angelangt; sie standen an dem offenen Grab und blickten von dort hinüber zu dem Häuptlingsstab, zu dem Bündel mit Adlerfedern und zu Wakiya Byron, der aufgestanden war und langsam herbeikam.
Sein Pflegevater Joe Inya-he-yukan sagte ihm alles, was er selbst von Norris Patton und Hanska erfahren hatte, und bat ihn, sogleich hinüberzugehen zu Mutter Queenie Tashina und zu den Gästen, um ihnen die Nachrichten zu bringen. Hanska aber sollte auf die Büffelweide reiten, damit auch der Buffalo-Boy Robert und seine Frau Joan erfuhren, was nach dem Willen Carrs geschehen sollte und was nach dem Willen Joe Inya-he-yukan Kings geschehen würde.
»Die Mac Leans werden unsere Büffel niemals haben, und Robert Yellow Cloud wird sich nicht befehlen lassen, gegen wen er zu schießen hat. Hau.«
Joe Inya-he-yukan ging nach diesen Worten mit Hugh zusammen dem Trauerzug entgegen, der jetzt über den Wiesenweg den Hang heraufkam.
Das Holzhaus der Bighorns in seiner abblätternden Farbe lag auf der anderen Talseite, unterhalb der Weißen Felsen, der King-Ranch gegenüber. Die vielköpfige Familie, der Kriegsinvalide Patrick und seine abgehärmte
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