Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
seine dicke Wölbung, einmal nach oben, einmal nach unten gerichtet. In der ersten Reihe führten je drei Stufen von rechts und von links auf den Berg hinauf, in der zweiten Reihe führten sie in die Tiefe hinunter. Die vierte Stufe war in der Höhe der Gipfel des Berges, in der Tiefe bildete sie die Talsohle. In jeder Reihe waren es im ganzen sieben Stufen: sieben Weltzeitalter. Jetzt lebten die weißen Männer Amerikas im vierten der Zeitalter und mußten den Abstieg beginnen. Die roten Männer hatten die Talsohle in der Tiefe erreicht und konnten wieder hinaufsteigen. Es war ein sehr altes Zeichen, die Bergpyramide. In dem langen gemeinsamen Schweigen sammelten und festigten alle ihre Gedanken, nicht die alltäglichen, sondern die weitgreifenden. Die Zwillinge suchten sich ihren schützenden Platz bei Hugh Mahan; ein Winkel war für sie an seiner Seite noch frei. Tashina und Oiseda saßen Seite an Seite mit den drei kleinsten der Kinder auf einer wollgewebten Decke am Boden. Mahan hatte sich in die Ecke der Wandbank gesetzt; er konnte durch zwei Fenster hinausschauen und die Tür beobachten. Der Herbstnachmittag schien friedlich, von sanfter Sonne durchdrungen, von mildem Luftzug durchschaukelt, in seinen Farben schon matt und vom ersten Nebel allem Zugriff entzogen.
    Aber Mahan traute dem Frieden nicht.
    Eine Büffelherde, Nacht und Tag unterwegs, konnte viele Watschitschun aufschrecken, die unfriedlich dachten und vielleicht früher als geplant unfriedlich zu handeln begannen.
    Hugh stand auf, trat an das Schiebefenster, öffnete es und faßte ein einzelnes Auto, das aus der Richtung der Schule auf der Talstraße entlangfuhr, näher ins Auge. Es war ein zweitüriger Wagen, rot, mit blauen Blumen und gelber Schrift bemalt. An der Abzweigung angekommen, wendete es und fuhr den furchenreichen Wiesenweg vorsichtig herauf. Hugh begriff bereits, wer am Steuer saß. Wer anders als Chester Carrs Sohn Clyde konnte eine so helle Haut, solch strohige lange Haare und derart massive Hände am Steuer haben. Hughs linker Mundwinkel zog sich herunter, ein Zeichen, daß er nicht sorglos, auch nicht ängstlich, eher wachsam und zynisch gestimmt war. Es wurde ihm dabei plötzlich bewußt, daß Tashina, die neben ihn an das Fenster herangetreten war, seine Miene von der Seite studierte; er konnte aber nicht wissen, was sie sich dabei dachte. Vielleicht ahnte er es doch, da er selbst schon Joe Kings Zynikerfalte beobachtet hatte. Er löschte den Zug aus, da er es nicht liebte, sich zu verraten oder in dem Verdacht zu stehen, daß er einen andern kopiere.
    Als der rote Wagen auf dem Gelände vor dem Haus anlangte, setzte Hugh seinen ledernen Cowboyhut auf, verließ das Haus und ging zu dem Wagen, der eben zum Halten kam.
    »Hay!« rief Clyde, öffnete die Wagentür und richtete den Blick auf die frisch ausgespannte Büffelhaut. »Kommen wir noch zurecht zur Mahlzeit? Wir sind drei wahrhaft Hungrige!«
    Mahan bückte sich, um in den Wagen hineinsehen zu können, nickte und bedeutete mit einer Handbewegung, daß die unerwarteten Gäste etwas Geduld haben möchten. Er hatte die beiden Personen auf dem Rücksitz erkannt. Es waren zwei magere, schlanke Burschen. Der eine hatte den Cowboyhut tief in die Stirn gezogen, aber Mahan erinnerte sich an einen großen Teerflecken auf den blauen Jeans und an den ausgefransten Jackenärmel, in dem ein Revolver gesteckt hatte und auch jetzt zu stecken schien. Das war Doug Coles. Der Fahrgast neben ihm war unverkennbar ein Mulatte. Sein rechtes Augenlid war zerfetzt. Er trug keinen Hut, keine Jacke, nur ein verwaschenes buntes Hemd zu den Kordjeans. Seine Haut war braun-schwarz, die Nasenflügel breit, die Augen dunkel, das Haar leicht gekraust.
    Als Mahan zum Haus zurückging, war das Schiebefenster noch offen, aber Tashina stand nicht mehr dort; sie war in den Raum zurückgetreten. Hugh bemerkte, ohne sich umzuschauen, nur durch Stimmen und Gehör, daß die drei aus dem Blumenauto ausstiegen und daß einer von ihnen hinter ihm herkam, doch nur ein paar Schritte. Bei Kings grauem Sportwagen, der vor dem Haus geparkt war, blieb er stehen. Der Sportwagen war abgeschlossen, der Tank leer und ein Reifen abmontiert. Er war nicht so leicht, den Wagen mitzunehmen.
    Mahan begab sich in das Haus. Er erklärte mit wenigen Worten den Frauen, Lehrlingen und Kindern die Lage und fragte, ob sie diesen Fremden etwas zu essen geben wollten. Clyde müsse zwar satt sein, denn er sei als Ron Warriors Gast gut verpflegt

Weitere Kostenlose Bücher