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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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wenn ich die Wahl habe zwischen einem Erzieher des establishment und zwei von unserer Gesellschaft verdammten Tramps, so fällt es mir nicht schwer, mich zu entscheiden.«
    »Bleiben Sie auf dem Teppich, Clyde. Sie können nicht zwei für die Hinrichtung Gesuchte in einer Lehrerwohnung einquartieren.«
    »So? Warum denn nicht? Gegen Snider und Carr hat alles zusammenzuhalten. Sie, Mahan, geben uns wenigstens Büffelbrühe.«
    »Was ist das Ende?«
    »Die totale Umkehrung unseres verblödeten und vergewaltigten Lebens. Ahnen Sie, warum ich hier bin?«
    »Um Ihren Vater zu ärgern!«
    »Um bei den Indianern zu leben und zu sehen, ob sie anders leben als wir.«
    »Anders leben dürfen, meinen Sie.«
    »Mahan, gewöhnen Sie sich das Wort ›dürfen‹ ab, das Sie auf Ihrem College gelernt haben. Wollen! Wollen!«
    »Warum suchen Sie die Indianer bei Ihrem Vater? Es gibt sie auch anderswo.«
    »Das zu fragen, haben Sie ein Recht, Mahan. Der Alte ist immer noch meine Schwäche; er ist eine Leimrute, ich klebe daran wie eine Fliege – Flügel schon zerstört, die Beine zappeln noch. Ich muß ihn ärgern, und koste es mein Leben.«
    »Bei einem solchen Vater Sohn sein und auch noch denken wollen – ich kann Sie schon verstehen, Clyde. Aber solange Sie so denken, wie Sie es jetzt tun, werden Sie kein Indianer. Sie sind zu unruhig.«
    Clyde Carr fühlte sich erkannt, zuckte aber nur die Achseln und schaute die beiden Tramps an. Doug rauchte schon, Mackie drehte sich eben die erste Zigarette.
    »Ihr sagt gar nichts«, störte Clyde die beiden auf.
    »Was soll das Geschwätz, Clyde«, antwortete Doug. »Du lebst doch bestens. Deine Gesellschaft tut dir nichts. Du hast Schule gehabt, du hast einen Wagen, du hast Marihuana, du kommst nicht ins Gefängnis. Was willst du denn?«
    »Was hat unsere Gesellschaft euch getan, Doug und Mackie? So sprecht euch doch aus und schaut euch nicht nur immerzu nach einem Sportwagen um, der nicht fahrfertig ist.«
    »Schade um den Jaguar«, meinte Doug. »Den hat Joe wohl dabei, und ich besitze nur noch einen Schlüssel dazu. Ich hätte diesen Untersatz nie wieder hergeben sollen.«
    »Es gibt etwas, was ich nicht verstehe«, sagte Wakiya zu den beiden Mageren, nachdem er Mahan gebeten hatte, sich in das Gespräch einmischen zu dürfen.
    »Was geht denn nicht in deinen Kopf, Junge?« Der Mulatte fragte. Ihm schien Wakiya zu gefallen.
    »Ihr seid, wegen Mordes verurteilt, ausgebrochen. Also beste Verbindungen. Jetzt irrt ihr umher wie zwei verlorene Teufel. Das paßt nicht zusammen.«
    Doug und Mackie lachten. Sie grienten nicht, sie lachten. »Du hast nachdenken gelernt, Junge. Joes Pflegesohn! Also das war so… Das war der beste Witz unseres Lebens!«
    Mackie erzählte. »Das Syndikat hatte alles vorbereitet, um zwei ihrer besten Killer zu befreien. Aber wir sollten dann einen Tag früher in die Gaskammer als angesetzt – irgendeiner hatte das durcheinandergebracht – und so haben sie aus Versehen uns herausgeholt.«
    »Das hattet ihr zu bezahlen.«
    »Ja!« Mackie schlug sich auf den Schenkel. »Du verstehst das. Die Bullen waren hinter uns her, und das Syndikat hätte uns auch am liebsten umgelegt, nur aus Wut, weil wir die Falschen waren, und die Richtigen gingen einen Tag später in die Kammer. Wir haben zahlen müssen, dreckig arbeiten. Endlich haben die Bosse uns doch weggeworfen, weil wir den Bullen und Schweinen zu bekannt waren. Joe hatte Doug ein ›besonderes Kennzeichen‹ an die Schläfe geschossen. So was nannte er dann einen Warnschuß.«
    »Und nun?« fragte Hugh.
    Die Gesichter wurden finster. Doug nahm das Wort. »Der Anfang vom Ende ist da, Mister Lehrer. Wir sind schon zu nervös. Aus allen Löchern kriechen sie und sind hinter uns her. Mackie und ich sollten uns trennen. Weißt du, was das für uns heißt? Als wir fünf oder sechs oder sieben Jahre alt waren, haben wir uns getroffen. Mackie kam aus dem Süden, ich aus den New-Yorker Slums. Gefunden haben wir uns in Washington. Vatersname unbekannt. Mutter verloren. Seitdem trampen wir zusammen. Wir sind keine Gangster und keine Killer. Tramps sind wir. Schule haben wir nur von außen gesehen. Gestohlen und geraubt haben wir nur, was wir brauchten für uns und für ein bißchen Kraut, das teuer ist. Leo Lee wollte uns mal zu Killern machen; Joe hat ihn ins Gras gelegt, das war gut. Wir haben nicht gegen Joe ausgesagt, obgleich wir ihn hätten in die Gaskammer bringen können als Dank für seinen ›Warnschuß‹. Wir haben

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