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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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alten King, das zweite von Wakiyas verstorbenem Vater, das dritte war neu und gehörte Bob, auf dessen Rückkehr es hier warten sollte. Am Kleiderhaken an der Wand hing neben den Reservelassos Joes Achselhalfter mit Pistolen. In der Ecke standen zwei verschlossene Kästen.
    Durch das kleine Fenster fiel Sonnenlicht in die Hütte. Der Herbstwind pfiff und sang leise; der Tag war hell und mild. Hugh und Byron warfen sich auf die Bettgestelle, grüßten sich noch einmal mit den Augen und erwarteten den Schlaf. Die Geräusche von draußen, das Lachen der Kinder, das Stampfen der Pferde in der Koppel, störten sie nicht. Von fernher erklang ein Brüllen, aber das war kein Büffelbrüllen, es waren die schwarzen Kühe und ihr Herdenstier.
    Mahan schlief tief und traumlos. Als er erwachte, ging es schon auf Mittag zu. Hugh wußte nicht, ob Wakiya Byron auch Ruhe gefunden hatte. Der Junge lag mit offenen Augen, die Arme hinter dem Nacken gekreuzt, auf der Lagerstatt und schaute zu Mahan herüber. Seine Haut wirkte durchbluteter, frischer als am Tag vorher, aber der merkwürdig entfernte, unwirklich friedvolle Ausdruck der Züge war geblieben.
    Hugh erhob sich und benutzte sein Lager als Sitz. Er dachte nach. Wenn es zu Auseinandersetzungen kam, mußte er über Menschen und Verhältnisse auf den beiden Ranches und in der Handwerksschule Bescheid wissen. Einiges hatte er schon verstanden, aber noch nicht genug.
    Wakiya schien seine Gedanken erraten oder ähnliche Gedanken verfolgt zu haben. Er begann auf einmal zu sprechen, fließend, sachlich, wie es schien, ohne Gefühl.
    »Es gibt viele Geheimnisse hier, Wasescha. Einige mußt du schon heute erfahren. Auf meine Pflegemutter Tashina und auf Oiseda kannst du dich in jedem Streit verlassen. Auf uns King-Kinder und auf die Lehrlinge Oisedas und auf die Bighorn-Kinder auch. Aber ich muß dir sagen, was für ein Mann Patrick Bighorn ist. Er trinkt, und er träumt noch immer von dem Kriege, in dem er ein Bein verloren hat. Er hat Joes Vater getötet; die beiden hatten zusammen getrunken und miteinander gestritten. Es ging ein Schuß los; Patrick wollte es nicht, aber der alte King war tot. So war das. Patricks Sohn Sidney war ein schlechter Mensch; er hat das College besucht wie du, aber dann ist er Stellvertretender Superintendent geworden und hat gegen unseren Stamm regiert. Er hat vieles falsch gemacht; Robert hat Sidney verfolgt, bis diese Schlange nicht mehr war. Für Tishunka-wasit-win und mich ist es schwer gewesen. Aber mein Pflegevater Inya-he-yukan hat Patrick bei unserer Gebetsnacht im weißen Zelt überwunden. Vater Patrick hat von da an geschwiegen und Patricia nicht mehr darum bedroht, weil sie mich liebte. Ich bin ein Bighorn, das weißt du, Hanska auch. Aber wir sind nicht von Patricks Familie. Unsere Eltern sind tot. Deine Mutter lebt noch.«
    »Ja.« Wasescha hatte sich von Byrons letzten Worten getroffen gefühlt wie von einem unerwarteten Schlag. Er fürchtete, daß Wakiya weiter fragen würde, und er wollte diesen Jungen nicht belügen. Aber Wakiya fragte nichts mehr.
    »Was wissen die Bighorns von dem, was geschieht?« erkundigte sich Mahan nur, ebenso sachlich, wie Wakiya gesprochen hatte.
    »Nichts weiter, als daß Joe einen Vertrag mit Duck Kingsley geschlossen hat und die Büffel dorthin treibt.«
    »Gut.«
    Mahan und Byron machten sich auf, ordneten die Decken, gingen hinauf zum Brunnen und wuschen sich dort. Mahan hatte noch Schwierigkeiten mit seinem verwundeten Arm.
    Zu Mittag wurde im hellgelben Haus Büffelfleischbrühe mit Büffelfleischbrocken darin gegessen. Es war eine große Tafelrunde; Queenie Tashina mit sechs Kindern und Pflegekindern, Oiseda mit zehn Lehrlingen und Mahan, der einzige erwachsene Mann, da Bob, Robert und Joe fehlten. Man saß auf Bank, Stuhl, Fensterbrett, auf dem Boden, auf dem Tisch. Man saß eng beieinander und fühlte sich zusammengehörig. Es wurde nicht gesprochen. Gemeinsam Fleisch zu essen war wie ein Gelöbnis; es war eine alte Festsitte.
    An der Wand hing ein Behang, den Queenie Tashina geknüpft hatte. Mahan suchte die Sprache der Linien und Farben zu verstehen. Das Tiefe war rot, das Hohe war blau; im Roten hatte die Pflanze ihre Wurzeln, ihre Blüten trug sie ins Blau. Die Pflanze hatte hundert ineinandergeschichtete Schalen, die sich im Wachsen lockerten. Im Innersten war sie gelb, lebendig und heilig.
    Am Fenster stand ein Krug, den Oiseda Irene geformt hatte. Das Muster des Stufenberges lief in zwei Reihen um

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