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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Kindesmißhandlungen. Es dürfte kaum schon alles verjährt sein.«
    Snider war einen Moment verblüfft, faßte sich aber schnell wieder.
    »Ihre Gegenangriffe tun nichts zur Sache, Mahan. Richten Sie sich nach dem, was ich Ihnen gesagt habe.«
    »Ich habe Sie informiert, Mister Snider.«
    Mahan ging.
    Er berichtete Ball zunächst nichts, aber als ihm während der gemeinsamen Fahrt nach New City der Blick über die morgendliche Prärie rings offen lag, kam eine Frage aus ihm heraus. »Was macht eigentlich Wyman an unserer Schule?«
    »Zwölfte Klasse, amerikanische Literatur. Er war zu Schulbeginn krank, ist jetzt erst wieder aufgetaucht. Mit den Schülern kommt er nicht zurecht. Ich gebe zu, daß diese zwölfte Klasse überhaupt schwierig und nicht lernwillig ist und wahrscheinlich zu der Geheimgruppe gehört, in die Patricia Bighorn aufgenommen war. Aber Wyman ist auch pädagogisch unfähig. Er will ein Drittel der Klasse durchfallen lassen. Sie werden ihn in der nächsten Lehrerkonferenz ja erleben.«
    »Habe ihn bereits erlebt.« Mahan erzählte.
     
    Die Fahrt durch das einsame Land unter graubewölktem Himmel ging vorbei an ausgetrockneten Bachbetten, an deren Ufern sich ein paar Bäume und kleines Gebüsch durchs Leben quälten, vorbei an Gruppen hungriger schwarzer Kühe, vorbei an einem Schaugelände, das jetzt geschlossen war. Es war noch Vormittag, als der Wagen die Vorortsiedlungen der weit ausgedehnten Stadt einstöckiger Holzhäuser durchfuhr und zum Stadtkern vordrang, wo Banken, Rathaus, Museum, Post sich als Steinbauten zusammengefunden hatten und mit mehreren Stockwerken hervorragten.
    »Zuerst zum Gefängnis«, sagte Ball.
    Die Strafanstalt lag jenseits der Stadt, nicht weit entfernt. Die Außenwände hatten keine Fenster.
    Als Ball den Wagen in der Nähe der äußeren umgebenden Mauer parkte, verweilte er noch einen Moment, ehe er ausstieg.
    »Mahan, sehen Sie sich den Klotz an. Ohne Augen, ohne Ohren, ohne Mund. Schweigen in Stein, wie ein Grabmal. So bauen sie neuerdings auch Schulen – auf euren Reservationen. Wußten Sie es?«
    »Noch nicht. Aber warum?«
    »Damit die Kinder nicht mit einem Blick durchs Fenster abgelenkt werden und vielleicht unbewußt an Himmel, Herbst und Frühling denken. Es gibt auch seelische Grausamkeit. Scheidungsgrund für Ehen.«
    »Und für Völker«, antwortete Mahan.
    Bali schloß den Wagen ab, und die beiden gingen zur Pförtnerloge am Haupttor. Ball zeigte seine Identifikationskarte und trug das Anliegen vor. Der Pförtner telefonierte ziemlich lange mit einem Büro des Gefängnisses.
    »In einer Stunde, Mister Ball. Der Gerald Bedford, ja. Hatte drei Monate Zusatz wegen schlechter Führung. Den sehen wir hier bald wieder.«
    Der Pförtner blinzelte Mahan zu.
    »Wir kennen uns doch, Mister King.«
    Ball wollte den Irrtum berichtigen, aber Mahan gab ihm ein Zeichen mit den Augenlidern, das nicht zu tun. Er begann seine Rolle zu spielen, weil er etwas zu erfahren wünschte. »Hat er randaliert?«
    »Yeah, Sie wissen ja, wie es ist.« Der Mann, der sich bei seinem Dienst langweilte, kam ins Erzählen, da er einen Experten des Gefängnislebens vor sich zu haben glaubte. »Sie haben Ihre Schädelnarbe unterm Hut auch nicht umsonst, Mister King. Von Zeit zu Zeit spielen die Gefangenen eben verrückt und schlagen sich. Da war Gerald mittendrin. Freches Maul gegen die Aufseher, Ausbruchversuch, Selbstmordversuch, Tobsucht, und er hat uns alle Schweine und den Direktor und den Arzt die Oberschweine genannt. Alles drin, alles dran. Er wollte, daß er freigelassen und der Bursche, der ihm angeblich den Sattelgurt angeschnitten hatte, eingesperrt wird. Aber wie wollen Sie da was beweisen. Manchmal hat er geheult wie ein Kind. Der Arzt hat ihn ein paarmal geschockt, weil er beinahe den Verstand verlor.«
    »Sie haben doch auch ihre Mittel, Cock.« Mahan hatte bei dem Telefongespräch den Namen aufgefangen. »Waren Sie Keeper in Bedfords Abschnitt?«
    »Zeitweise, aber bei manchen reicht der Gummiknüppel eben nicht. Sie haben uns auch zu schaffen gemacht, King. Wenn ich noch daran denke, wie Sie ›höchste Alarmstufe‹ ausgelöst haben und alle Keepers rannten, die Pistolen in der Hand, durch alle Gänge…« Cock lachte in der Erinnerung an ein Ereignis, das ihn als Keeper einmal zur Raserei gebracht hatte. »Wie sind Sie damals aus der Zelle herausgekommen, King?«
    »Die Tür war offen.« Mahan sagte es aus dem Stegreif und ahnte nicht, daß er das Richtige getroffen

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