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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sagt.«
    »Das ist zuerst einmal mein Vorteil, Mister Ball. Wyman wird für seine unsauberen Bemerkungen keinen Abnehmer mehr finden. Ich selbst bin hart im Nehmen geworden, und ich lerne zurückzuschlagen – doch mit Julia Bedford hätten wir das Schlimmste erleben können, wenn Wyman nicht gebremst wurde. Sie ist ein eingerollter Igel, aber in Wahrheit überempfindlich geworden.«
    »Verständlich bei dem Schicksal dieser drei Kinder. – Ich begreife. Sie haben wahrscheinlich als einziger von uns auch an das Mädchen gedacht.«
    Während Ball den letzten Satz hinzufügte, hatte sich Mahan halb abgewandt und schaute nach seinen Büchern.
    Ball bemerkte es und schaltete rasch um. Er ließ sich noch einmal auf den Stuhl fallen, es wirkte wie eine Verlegenheitsgeste.
    »Nächste Woche beginnen Sie den Unterricht bei den Senioren, Mahan. Sie haben noch viel zu tun – zu lesen, bei uns zu hospitieren: bei Cargill, würde ich vorschlagen, und bei Byler – das ist der Lehrer, der in den Konferenzen nie etwas sagt. Ich mache Sie mit ihm bekannt. Und Sie müssen den Unterrichtsgang aufbauen; amerikanische Literatur der Gegenwart.«
    »Nicht schlecht.«
    »Rektor Snider selbst wird zu Ihrer ersten Stunde kommen und am Dienstag hospitieren.«
    »Damit die Schüler sich nicht unbefangen geben und ich nicht mit ihnen warm werden kann.«
    »Mahan, fangen Sie nicht etwa an, die ›Seele im Eisschrank‹ mit den Anwärtern des Baccalaureat zu lesen. Dieses Buch gehört nicht zum Unterrichtsstoff.«
    Mahan wußte, daß sein Kollege mit einer kleinen Verdrehung des Titels auf das rebellische autobiographische Buch eines Black Panther anspielte.
    »Mister Ball, ich mache das nicht, hau. Ich fange es etwas geschickter an. Und nun rauchen Sie ruhig Ihre Zigarette. Ich bin nicht mehr so empfindlich, seitdem ich nicht mehr den Gestank der von den weißen Männern aufgebauten Städte, sondern die Reinheit der langweiligen Prärie atme.«
    Ball lächelte.
    »Doppelten Dank. Für die Raucherlaubnis und Ihre ungeminderte Offenheit. Ich hole uns einen Drink herüber – das Alkoholverbot für Reservationsangehörige ist ja aufgehoben.«
    Ein ruhiges Schweigen beschloß den Abend. Ball rauchte, Mahan las.
     
    Nach dem Ablauf der arbeitsreichen Woche übernahm Mahan am Freitag nachmittag wieder die Sportaufsicht bei denjenigen Internatsschülern, die das Wochenende nicht bei Familien verbringen konnten. Die andern waren bereits mit dem Schulbus weggefahren oder abgeholt worden. Es wurde Basketball gespielt. Hugh selbst beteiligte sich nicht. Die Gruppen waren an Zahl gleich stark, nach Alter und Größe an diesem Nachmittag aber in sich sehr verschieden, somit Spiel-, doch nicht wahre Sportgruppen. Mannschaftsleiter waren die beiden Senioren im Internat, die künftig Mahans Schüler im Literaturunterricht der zwölften Klasse werden würden; die achtzehnjährige Julia Bedford und der zwanzigjährige Jerome Patton, Sohn der Gärtnerfamilie der Superintendentur, älterer Bruder von Norris Patton, dem Freunde Hanskas. Er pflegte sonst am Freitag nachmittag nach Hause zu fahren; warum er heute geblieben war, wußte Mahan nicht.
    Julia und Jerome und ihre Mannschaften spielten mit Hingabe und Ehrgeiz; es gab keinen Seitenblick auf Mahan, der dem Spiel als Schiedsrichter beiwohnte und mit seinen Augen den Weg des Balls verfolgte. Er tat es nur nach außen hin und an der Oberfläche seines Bewußtseins. In Wahrheit versuchte er, das Wesen der beiden Schüler, für die er künftig mitverantwortlich sein würde, noch besser in sich aufzunehmen. Sie spielten verschieden, und sie waren verschieden.
    Den risikobereiten, rasanten und erfolgreichen, zuweilen aber auch ganz fehlerhaften Angriffen Julias gegenüber blieb Jerome defensiv und verhalten, doch erstaunlich sicher beobachtend und berechnend. Er war eher zierlich als kräftig gebaut, hatte ein regelmäßig gebildetes Gesicht und eine modulationsfähige Stimme.
    Es stand 2 : 2.
    Die Internatsbetreuerin, Halbindianerin, klein, rundlich, behende, hatte sich bei Mahan eingefunden. Sie war praktisch als Erzieherin ausgebildet und fühlte sich für alle menschlichen Fragen zuständig, während sich ihr Mann, ein Weißer, mehr den Aufgaben der Hausverwaltung widmete.
    Als Mahan ihr Gelegenheit gab zu sprechen, sagte sie: »Ist Jerome nicht ein guter Kerl? Er ist auch ein ordentlicher Schüler. Sie können sich im Unterricht auf ihn verlassen. Er war nach der zehnten Klasse abgegangen und hat ein Jahr

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