Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Gedanken, daß er vor Wyman zurückweichen könnte.
    Was hatte er mit der Betreuerin besprochen? Warum lief er jetzt weg? Die große Hoffnung, die sie erfüllt hatte, mit ihm Mutter Mahan und ihre Brüder zu besuchen, brach mit einem Mal zusammen.
    Sie entglitt ihren Mitschülern, huschte auf das Sechser-Zimmer, das sie über das Wochenende für sich allein bewohnte, zog sich um und wollte das Haus verlassen, um sich irgendwo zu verbergen. Nur jetzt allein sein.
    An der Haustür lief sie der Betreuerin in die Arme.
    »Julia, rasch, pack dein Nachtzeug. Du fährst mit zu Mutter Mahan und deinen Brüdern. – «
    Das Mädchen schluckte. Sie wollte sagen: »Ich mag nicht.« Aber der im Internat anerzogene strikte Gehorsam hielt sie zurück.
    Sie ging die Treppe wieder hinauf, legte das Notwendigste in ihr billiges Köfferchen, ohne sich dabei zu beeilen und ohne sich freuen zu können.
    Anordnung! Sie fuhr zu Mutter Mahan und ihren Brüdern. Mit wem?
    Als sie wieder herunterkam, stand Jerome Patton an der Haustür und lächelte sie bescheiden-freundlich an. Sie wußte, daß er sie seit einem Jahr verehrte, immer zurückhaltend, immer treu, immer mit einem warmen Gefühl. Er war nicht der einzige der Jungen, die Tatokala-Taga für sich gewinnen wollten, und sie hatte sich daran gewöhnt, daß sie fernhalten, auch zurückstoßen konnte, ohne jemanden darum zu verlieren.
    Heute aber wußte sie nicht recht, wie sie sich Jerome gegenüber verhalten sollte. Daß er es war, der da stand, war eine tiefe Enttäuschung für sie. Aber sie konnte eine angenehme Überraschung spielen.
    »Wir fahren dich zu Mutter Mahan«, sagte Jerome. Er war glücklich, weil er glaubte, Tatokala eine Freude zu machen. Sie nickte und ging mit ihm zum Wagen seiner Eltern. Es war ein sehr alter Studebaker, weder schmissig noch schnell, aber geräumig. Tatokala setzte sich nach hinten zwischen Norris und Jerome. Sie lehnte sich zurück, schloß die Augen und dachte an Gerald und Iliff.
    Vater Patton ließ den Wagen an, der Motor lief nach einigem Stuckern. Alle blieben schweigsam.
    Der Wagen tat seine Pflicht, die auf der gut betonierten Straße leicht zu tun war. Hoch am Himmel zogen nur noch wenige Wolken. Sehr hell leuchtete das herbstliche Blau über der braunen Prärie.
    Nach einer einsamen Fahrt beobachtete Vater Patton im Rückspiegel den nachkommenden Sportwagen. Mahan überholte kurz vor der Abzweigung, die auf dem Wege zur Behausung der Familie Mahan genommen werden mußte, und fuhr voran, um den weiteren Weg zu weisen.
    Er hat sich geschämt, von der Schule an mit uns zu fahren, dachte Julia, und alles in ihr sträubte sich auf gegen Mahan. Aber sie lächelte dabei Jerome an, weich und liebenswert, wie er es noch nie an ihr gesehen hatte.
    »Ihr seid gut, daß ihr mich mitgenommen habt.«
    Jerome wallte das Blut in die Schläfen hinauf; er senkte den Kopf ein wenig, so daß die breite Hutkrempe sein Gesicht deckte, und legte seine Hand auf die Tatokalas. Sie verwehrte es ihm nicht, und durch seine Nerven flutete in diesem Augenblick nicht nur das verhaltene Liebesgefühl eines Jahres, das ihm lang erschienen war, sondern auch die leiblichen Empfindungen eines jungen und gesunden Mannes, der Seite an Seite mit einem vor sich selbst erwachten Mädchen saß.
    Der versteckte Prärie-Parkplatz, Endpunkt der Fahrt, war erreicht.
    Mahan hatte Vater Patton schon vor der Abfahrt unterrichtet, daß man noch ein Stück laufen müsse. Er machte sich als Führer auf den Marsch mit jener dem Präriebewohner immer noch gewohnten Gangart, mit der die Vorfahren auf ihren Wanderungen täglich 30 Meilen geschafft hatten. Die andern folgten einer hinter dem andern in der günstigsten Spur durch das unwegsame Gelände.
    Vor der Hütte der Mahans am Fuße des Hügels saß Iliff Bedford mit gekreuzten Beinen auf einer alten Lederdecke. Es hatte nicht den Anschein, daß er irgend etwas getan oder gespielt habe. Er saß da. Vielleicht hatte er sich eben hingesetzt, vielleicht hatte Mutter Mahan ihn an diesen Platz getragen und noch nicht wieder abgeholt. Vielleicht wollte er diesen Platz einnehmen, nicht anders als ein Gras oder ein Strauch, die durch ihre Wurzeln an einen Platz gebunden sind. Er machte keinerlei Anstrengung eines Grußes für die Ankömmlinge, zeigte auch keine Unruhe. Nur sein Gesicht strahlte wie ein aufgehender Stern, als Tatokala sich bei ihm niederkniete und ihre Hand auf seine Schulter legte. Mutter Mahan kam aus der Blockhütte und wurde von

Weitere Kostenlose Bücher