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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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junge Frau, die bei Wakiya gekniet hatte, hatte sich erhoben, stand aber noch an dem gleichen Platz. Sie ließ die Arme herabhängen und schaute zu Boden, als ob sie dort den zuckenden Körper Wakiyas noch immer sehen könne. Sie machte eine leise, kaum merkbare Bewegung mit der Hand wie ein Mensch, der irgend etwas für immer loslassen muß, vielleicht einen anderen Menschen oder eine Hoffnung. Tashina war um einen Winter und einen Sommer jünger als Mahan; Mutter von vier eigenen und drei Pflegekindern, trauernde Mutter um eines, das gestorben war. Sie war die Frau des verwegenen und unruhigen Mannes Joe Inya-he-yukan, und sie war eine Frau, die eigene Gedanken und ihr leidenschaftlich schwankendes Empfinden in Farbe und Form ausgedrückt und damit zu vielen Menschen gesprochen und für das Volk und ihr Prärieland gezeugt hatte. Lange, ehe Hugh Tashina gesehen hatte, hatte er zwei ihrer Bilder gekannt; die sich öffnende Hand und den zerbrochenen Stern.
    Mahan schaute wieder die harmonische Gestalt, nahm das Gesicht wahr, das sich durch Verhaltenheit schützte, empfand die Müdigkeit unter den Augen, die die Haut gefaltet hatte, lebte sich ein in die große Trauer, die diesen ganzen noch jungen Menschen umfing.
    »Wakiya-knaskiya Byron Bighorn«, sagte Queenie Tashina so leise, daß Wasescha sie nur verstehen konnte, weil er miterlebt hatte. »Tishunka-wasit-win ist fortgegangen, und die Watschitschun ersticken dich, Wakiya, mit ihrem feindlichen Geist. – Ich traure um dich, und ich habe Angst.«
    Sie hob den Kopf und schaute Wasescha gerade und forschend an.
    »Ich habe Angst um Inya-he-yukan. Die Gewehre sind immer geladen. Einmal werden sie schießen.«
    Sie rührte sich, nahm die Decken auf, auf denen der Kranke am Boden gebettet gewesen war, und tat sie beiseite. Während sie nach außen hin das Einfache, Selbstverständliche tat, zog sie ihr Inneres in sich zusammen, so daß es von der Außenfläche verschwand. Ihre Stimme wurde vernehmlich und sachlich.
    »Der eine Spurweg zum Friedhof ist uns erlaubt«, sagte sie. »Gerichtliche Anordnung. Wir hätten es dir sagen sollen. Du hast einen anderen Weg genommen, Wasescha.«
    »Zu einem kranken Kind, das in Gefahr gewesen ist.«
    »Er würde sagen, Wakiya habe das Kranksein nur gespielt. Und vielleicht glaubt er das sogar. Er hätte geschossen – nur Joes Gewehr hat ihn zurückgehalten.«
    Mahan kreuzte den Blick mit Queenie Tashina. Sie war in Sorge um ihn gewesen. Auch um ihn. Vielleicht wie eine Schwester, die er nicht mehr besaß. Aber ihre Augen waren Traumaugen, und hinter ihr stand ein Schatten, den Mahan durch sie hindurch sehen konnte. Es war eine Erinnerung, die er nicht zu vergessen und nicht zu verwirklichen vermochte. Das tägliche Leben forderte sein Recht.
    Queenie Tashina mußte mit Oiseda an die Arbeit gehen. Vierzehn Menschen waren hungrig geworden.
     
    Joe brachte mit Geralds Hilfe draußen auf der Wiese ein Lagerfeuer zum Brennen. Die Flämmchen leckten an den Zweigen und Kiefernscheiten, sie züngelten im Wind und schimmerten gelb und rot durch die Dunkelheit. Über den Felsen glänzte der Mond und warf sein weißes Licht herunter, das von den Schatten zerschnitten wurde. Die Sterne blinkten, sie kannten größere Weiten des Himmels als die Tagessonne.
    Das hellblaue Haus war nichts mehr als ein dunkler Umriß. Nur aus einem der Fenster leuchtete das Licht der Petroleumlampe, klein und matt.
    Männer, Frauen und Kinder der King-Ranch saßen um das Feuer und sprachen leise miteinander. Ein paar der Kinder von der Booth-Bighorn-Ranch hatten sich noch dazugefunden, unter ihnen auch die beiden Lehrlinge Oisedas. Es gab keine Büffelmahlzeit mehr, aber alle dachten noch daran, während sie geröstetes Kaninchen, Fasan am Spieß – Joes Jagdbeute – und Rindfleischbrühe mit Brocken aßen. Auch Wakiya fand sich wieder bei den anderen ein. Er setzte sich neben Hugh, müde und etwas gebückt, und lehnte sich zutraulich an Hughs Schulter. Wenn der Feuerschein über sein Gesicht huschte, wurde in seinen Zügen wieder der Ausdruck sichtbar, der ihn vom Leben und von seinen Freunden entfernte und ihn wie einen vom Schmerz befreiten, eben eingeschlummerten Toten erscheinen ließ. Wasescha legte die Hand vor die Augen.
    Das Feuer verglimmte.
    Joe stimmte ein Lied der Prärie an, und die anderen sangen mit. Als die letzten Töne vom Wind fortgetragen und die Funken ausgetreten waren, erhoben sich alle, um noch umherzugehen.
    Hugh schloß sich Joe an,

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