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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Patton, der in Wahrheit nicht wußte, was er sagte, haben sich beteiligt und werden ohne Zweifel arbeiten. Aber Sie haben die schweigende Mehrheit übersehen, auf die es uns ankommt. Sie kennen unsere Reservation und unsere Aufgaben hier noch zuwenig, um zu wissen, was Sie für Unheil anrichten können. Ich werde Mister Ball bitten, Sie besser über die uns gestellten Ziele zu informieren.«
    »Es war doch gut, daß die Schüler endlich einmal aus sich herausgingen«, wagte Cargill zu sagen. »Einige Gedanken waren schon erstaunlich reif.«
    »Das Aus-sich-Herauskommen kann aber ansteckend wirken, Cargill, und wer weiß, wohin es dann führt. Also, Mahan, Vorsicht mit Ihren anitautoritären Methoden. Das können wir auf der Reservation am wenigsten gebrauchen. Unsere Autorität muß hier wie Granit stehen. Die Großvater-Erinnerungen waren völlig abwegig, daran sollen die jungen Menschen nicht mehr denken, nichts mehr davon hören. Mich wunderte, wie schon angedeutet, daß Jerome Patton, Sohn einer so ordentlichen und integrierten Familie, überhaupt davon weiß. Von seinen Eltern kann er das nicht haben. Und dann – was bedeutet ›einander helfen‹? Doch nicht etwa vorsagen und Zettel unterschieben?«
    »Nein, das nicht, Mister Snider. Das hat Alice sicherlich nicht darunter verstanden.«
    »Sie halten sich also künftig streng an den Unterrichtsstoff, Mahan, und unterstützen die Aufgaben der Verwaltung: Wir haben den jungen Leuten eine Erziehung zu vermitteln, mit der sie sich in unserer Nation integrieren und mit der sie konkurrenzfähig werden, mit der sie die Reservation ohne Schaden verlassen können. Die Senioren sollen nicht am Ende des Schuljahres die Zahl der Arbeitslosen hier vermehren, davon haben wir genug. Haben Sie mich gut verstanden?«
    »Ich habe gehört.«
    Cargill sagte kein Wort mehr. Doch bedurfte es keiner besonderen Menschenkenntnis, um seine Enttäuschung wahrzunehmen. Sie trieb aus allen Poren.
    Die Unterredung im Rektoratszimmer hatte mehr Zeit in Anspruch genommen, als die kleine Pause bot, und so kam Hugh einige Minuten zu spät zu seinen Beginnern zurück, die er in der vergangenen Stunde der jungen Negerlehrerin, Miss Sunday, anvertraut hatte.
    Er fand sie noch bei den Kindern, die gern mit ihr gelernt hatten. Auch sie hatte jene weiche Stimme, die dem Ohr der Kinder schmeichelte wie ein Vogelruf im Frühling; die weißen Lehrer und Erzieher hatten solche Sanftheit verloren, wenn sie sie je besessen hatten. Wenn Miss Sunday sagte »Very good«, so waren das mehr als zwei abgebrauchte Wörter; die kleinen Schüler fühlten sich in der Melodie wohl. Auch Hughs aufgerauhte Stimmung wurde dadurch glatt gestrichen, und es ergab sich, daß er bis zur Mittagspause um zwölf Uhr mit Miss Sunday zusammenarbeitete. Die beiden führten die Gruppe dann auch gemeinsam in den großen Saal zum Mittagessen. Auf dem Gang dorthin hatte Miss Sunday ausgiebig Gelegenheit, mit Hugh zu sprechen, ohne daß dies auffiel.
    »Sie sind heute abend auch bei Mister und Missis Warrior eingeladen?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie, was er beabsichtigt?«
    »Muß alles eine Absicht haben?«
    »Clyde Carr ist wieder da und hat noch einen Freund mitgebracht. Ich werde nicht klug aus Mister Warrior. Er tut immer wieder das Unmögliche, und Rektor Snider sagt kein Wort dazu. Sie wissen wohl, für welche Organisation Mister Warrior früher gearbeitet hat.«
    »Ja. Für eine, von der man nur schwer loskommt. Er hat allerdings hier nur einen sehr bescheidenen Posten. Vielleicht hintergeht er seine Organisation, vielleicht hintergeht er uns oder auch alle zusammen. Ich vermutete erst, er sei tatsächlich ganz und gar ausgeschieden, aber dann würde Snider nicht stillhalten. Sie haben recht. Ron spielt zynisch, aber sympathisch und sicher.«
    »Ich danke Ihnen. So kann ich mich besser orientieren.« Der Essensaal war erreicht. Ron Warrior und seine Beginner waren eben zur Essenausgabe gegangen. Mahan und Miss Sunday schlossen mit ihren 16 Schützlingen zu der Reihe auf. Es gab heute Kalbsgulasch.
    Man nahm an zwei Nachbartischen Platz; die Erzieher setzten sich an die aneinander angrenzenden Tischenden, so daß sie miteinander sprechen konnten, ohne laut zu werden.
    »Aber lieb von Ihnen«, sagte Ron zu Hugh, »daß Sie unseren bescheidenen Beginnerkreis nicht verachten. Sind die Senioren nicht doch interessanter?«
    »Wenn Sie in der zwölften Klasse begreifen lernen, was in elf Klassen vorher an den Kindern gesündigt worden ist

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