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Welt im Fels

Welt im Fels

Titel: Welt im Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Harrison
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die Reise ein Geheimnis für sie, und sie leben ihr glückliches Leben unter einer gütigen Sonne. Zu ihrer Bewachung und Führung sind wir da, die Beobachter, und wir erfüllen unseren Auftrag.«
    Wie zur Bekräftigung seiner Worte schlug eine große Glocke an, dann noch einmal. Die Beobachter hoben ihren Deus, und beim dritten Schlag drückten sie den Stab nieder, um eine Zahl hinzuzufügen. »Und so ist ein weiterer Tag der langen Reise vergangen«, fuhr der Chefobservator fort, »und wir sind dem Tag der Ankunft um einen Tag näher. Wir haben die Tage während all der vielen Jahre genau registriert.«
    »Während all der vielen Jahre«, wiederholten die anderen halblaut und berührten ihren Deus.
    »Wer bin ich?« fragte Chimal. »Warum bin ich anders?«
    »Du bist das Kind, dem zu dienen wir geschworen haben, der eigentliche Grund für unser Dasein. Denn es steht geschrieben, daß die Kinder sie führen sollen. Daß der Tag der Ankunft kommen und die Barriere fallen wird und die Leute im Tal frei sein werden? Sie werden hierherkommen und die Sterne sehen und endlich die Wahrheit erfahren. Und an diesem Tag wird Coatlicue vor ihren Augen zerstört, und es wird ihnen befohlen, einander zu lieben und nicht mehr innerhalb der Sippen eines Dorfes zu heiraten. Solche Heiraten werden dann verboten sein und nur Verbindungen zwischen einem Mann aus dem einen und einer Frau aus dem anderen Dorf werden erlaubt.«
    »Meine Mutter und mein Vater …«
    »Deinen Eltern wurde die Gnade zu früh zuteil, und sie zeugten ein echtes Ankunftskind. In seiner Weisheit sorgte der Große Planer dafür, daß die Azteken bescheiden bleiben und ihre Felder bestellen und glücklich ihr Leben im Tal leben. Das tun sie. Aber am Tag der Ankunft wird diese Fügung aufgehoben, und ihre Kinder werden Dinge tun, die ihre Eltern nie für möglich gehalten hätten. Sie werden die Bücher lesen, die auf sie warten, und werden bereit sein, das Tal für immer zu verlassen.«
    Natürlich! Chimal wußte nicht, wie er es entscheiden konnte, aber er hatte das Gefühl, daß der Chefobservator die Wahrheit sagte, daß alles stimmte, obwohl es ungeheuerlich klang und er vieles noch nicht verstand. Nur er allein hatte das Leben im Tal nicht akzeptiert, hatte sich dagegen aufgelehnt und den Wunsch gehabt, aus dem Tal zu fliehen. Er war anders, er hatte es immer gewußt und sich deshalb geschämt. Jetzt nicht mehr. Er hob den Kopf und sah die anderen an.
    »Ich habe viele Fragen zu stellen.«
    »Sie sollen beantwortet werden, alle. Wir werden dir alles erzählen, was wir wissen, und dann wirst du an den Lerngeräten, die auf dich warten, noch mehr erfahren. Dann wirst du uns unterrichten.«
    Chimal lachte laut. »Dann wollt ihr mich also nicht mehr töten? Anscheinend braucht ihr mich.«
    Der Chefobservator senkte sein Haupt. »Das war mein Irrtum, und ich kann mich nur auf Unkenntnis berufen und um Vergebung bitten. Du darfst mich töten, wenn du willst.«
    »Unsinn! Du darfst noch lange nicht sterben, alter Mann, du hast mir sicher vieles zu erzählen.«
    »Das ist wahr. Dann laß uns anfangen!«
     
2.
     
    »Was ist das?« fragte Chimal und betrachtete ängstlich das dampfende braune Stück Fleisch auf seinem Teller. »Ich kenne kein Tier, das groß genug ist, um so viel Fleisch zu liefern.«
    »Es ist ein Beefsteak und ein besonders schönes Stück, wie wir es nur an Feiertagen essen. Du kannst es jeden Tag bekommen, wenn du willst, die Fleischbank kann genug liefern.«
    »Ich kenne kein Tier, das Fleischbank genannt wird.«
    »Ich werde es dir zeigen.« Der Chefobservator verstellte etwas am Fernsehgerät an der Wand. Sein Quartier hatte nichts von der Nüchternheit der Zellen der Wachleute. Musik drang aus einer verborgenen Quelle, an den Wänden hingen Gemälde, und der Fußboden war mit einem dicken Teppich belegt. Chimal saß in einem weichen Sessel, sauber gewaschen und glatt im Gesicht, nachdem er sich mit einer Enthaarungscréme den Bart entfernt hatte.
    »Beschreibe deine Arbeit!« sagte der Chefobservator zu dem Mann, der auf dem Bildschirm erschien. Der Mann verbeugte sich.
    »Ich bin der Verpfleger, und der größte Teil meiner Arbeit ist der Fleischbank gewidmet.« Er trat zur Seite und zeigte hinter sich auf einen großen Bottich. »In der Nährlösung hier wachsen gewisse eßbare Teile von Tieren, die vom Großen Planer hierhergebracht wurden. Nährlösungen stehen zur Verfügung, die Gewebe wachsen ständig, und für unseren Verbrauch

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