WELTEN-NEBEL
am Boden, die Glieder seltsam verdreht, rührte sich nicht. Mit wenigen Schritten war sie bei ihm, ging neben ihm auf die Knie. Im ersten Moment dachte sie, er wäre tot, doch dann sah sie, wie sich sein Brustkorb langsam hob und senkte. Er war nur bewusstlos. Doch warum? Auf den ersten Blick konnte sie keine Verletzungen entdecken. Einige kleinere Steine lagen um ihn herum. Hatte er einen davon abbekommen. Inzwischen hatten auch die anderen sie erreicht. Mit Bevans Hilfe begann sie, Rihnall auf Verletzungen hin zu untersuchen. An seinem Hinterkopf fanden sie eine blutende Platzwunde. Da sie von seinen Haaren verdeckt war, hatte Süylin sie zuerst übersehen. Wahrscheinlich hatte ein Stein ihn dort getroffen. Es war wohl auch der Grund für seine Bewusstlosigkeit. Hoffentlich kam er bald wieder zu sich.
Sie musste die Wunde versorgen. Bevan bot an, ihr dabei zur Hand zu gehen, doch sie lehnte ab. Sie wollte sich alleine um ihren Mann kümmern. Die Ungewissheit und die Ängste, die sie gerade erst durchlebt hatte, hatten ihr gezeigt, dass ihre Liebe zu ihm mitnichten geschwunden war. Als sie ihn tot geglaubt hatte, hatte sie gedacht, aus Kummer ebenfalls sterben zu müssen. So sehr sie sich auch in der letzten Zeit einander entfremdet hatten, sie liebte diesen Mann noch immer. Er war ein Teil von ihr und sie brauchte ihn. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, wenn sie daran dachte, wie kalt sie sich ihm gegenüber gegeben hatte. Wie oft hatte sie seine Hilfe abgelehnt. Wie oft war sie ihm gegenüber unehrlich gewesen. Kein Wunder, dass er sich von ihr abgewandt hatte. Sie würde es wieder gut machen, würde ihn gesund pflegen, würde ihm beweisen, dass sie ihn trotz allem liebte. Sie hoffte, er würde ihr ihr Verhalten vergeben können.
Sorgfältig säuberte sie die Wunde und verband sie mit einem sauberen Tuch. Sie blutete fast gar nicht mehr, was ein gutes Zeichen war. Jetzt musste er nur noch aufwachen.
Sie hörte, wie sich die anderen leise berieten. Keiner wollte länger als nötig hier bleiben, jederzeit konnte es neue Felsschläge geben. Wenn Rihnall nicht erwachte, würden sie ihn notfalls tragen.
Als sie sich versichert hatte, dass er keine weiteren Verletzungen hatte, stimmte sie zu. Vorsichtig hob Terak, der größte der Männer, ihn auf. Die drei Männer würden sich mit dem Tragen abwechseln, eine Pause konnten sie erst außerhalb der Spalte machen.
Obgleich sie durch die zusätzliche Last langsamer vorankamen, gelang es ihnen, den Einschnitt bis zum Einbruch der Dunkelheit hinter sich zu lassen. Rihnall war noch immer bewusstlos, doch momentan gab es nichts, was Süylin dagegen hätte tun können. Sie war ihren Begleitern dankbar, dass sie ihn aus der Gefahrenzone gebracht hatten.
Sie errichteten ihr Nachtlager auf einem Felsplateau etwas entfernt von der Passage. Für alle war es eine unruhige Nacht. Die durchlebten Schrecken ließen sie bei jedem Geräusch zusammenschrecken. Süylin tat kein Auge zu, wich nicht von Rihnalls Seite. Trotz seiner Bewusstlosigkeit versuchte sie, ihm etwas Wasser einzuflößen. Auch horchte sie stets ängstlich auf seinen Atem. Sie lag neben ihm, und obwohl er sie nicht hören konnte, sprach sie flüsternd zu ihm. Sie sagte ihm, wie sehr sie ihr Verhalten bereute, beteuerte ihm, wie sehr sie ihn liebte. Ihre Hände strichen dabei zärtlich über sein Gesicht. Bisweilen hauchte sie ihm einen Kuss auf Stirn, Wangen oder Lippen.
Kurz vor Sonnenaufgang nickte sie ein, wurde aber kurz darauf von einer Bewegung aus dem Schlaf gerissen. Sofort war sie hellwach. Rihnall hatte die Augen aufgeschlagen, schaute sie fragend an. Sie legte ihm den Finger auf die Lippen, um ihm zu bedeuten, still zu sein. Er sollte sich nicht überanstrengen. Sie wusste auch so, was er fragen wollte. Flüsternd gab sie ihm Auskunft über das Geschehene. Dann fragte sie ihn über sein Befinden aus. Als er ihre Frage nach Schmerzen mit einem leichten Kopfschütteln verneinte, fiel eine große Last von ihr ab. Sie half ihm, sich etwas aufzurichten und ein paar Schlucke zu trinken.
Die aufgehende Sonne weckte ihre Begleiter und sie waren froh, Rihnall wach und wohlauf vorzufinden. Um ihn zu schonen, wollten sie einen Tag Pause einlegen, doch er lehnte ab. Als Beweis seines Wohlbefindens richtete er sich auf, erhob sich und ging einige Schritte. Nur eine leichte Blässe ließ erkennen, dass es ihm doch nicht so gut ging, wie er vorgab. Doch Süylin tadelte ihn nicht deswegen, hatte sie sich doch ebenso
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