WELTEN-NEBEL
immer für Boten der Götter? Hat dir dein Spitzel nicht berichtet, dass wir gewöhnliche Sterbliche sind?“
An seinem Gesicht konnte sie erkennen, dass er es nicht gewusst hatte. Schnell überdachte sie die Optionen, die sich dadurch ergaben. Sie musste es versuchen.
„ Lass Bevan frei, dann erzähle ich dir etwas, was für dich von enormen Interesse sein wird, wenn du dich wirklich zum Herrscher über ganz Atress aufschwingen willst.“
„ Nun, wenn dir so viel an ihr liegt, wirst du es mir besser erzählen, sonst ...“
Seine Hand vollführte eine Bewegung quer über seinen Hals.
„ Wir kamen nicht auf Geheiß der Götter, sondern auf eigenen Wunsch nach Atress. Wir wollten das Land auskundschaften. Wir stammen von Elung und unser Volk ist begierig darauf, neue Länder zu erkunden. Als die Götter uns nahen sahen, schickten sie die Metallscheibe zu euch, um euch zu warnen. Wir sind nämlich nicht das einzige Volk, das jenseits des Meeres lebt. Mit dem euren gibt es sechs Länder in den Weiten des Ozeans. Das ist das Wissen, das auf der Scheibe zu finden ist. Die Götter wollten euch darauf vorbereiten, dass noch weitere kommen werden.“
Aufmerksam beobachtete sie die Reaktion des Mannes. Er wirkte neugierig, aber auch angespannt. Er wusste wohl nicht so ganz, was er mit dieser Information anfangen sollte. Doch er schien ihr zu glauben.
„ Meinst du, ihr könnt gegen den Ansturm fremder Völker bestehen, wenn sich die unterschiedlichen Stämme bekriegen? Niemals wird es dir gelingen, sie mit Gewalt alle unter deine Herrschaft zu zwingen. Wenn die Atresser gegen die anderen Länder bestehen wollen, so geht das nur, wenn sie in Frieden miteinander leben. Deshalb haben die anderen Stammesführer dich aufgesucht, sie wollten ihr Wissen mit dir teilen und für eine künftige Zusammenarbeit und gute Beziehungen eintreten. Niemals hatten sie die Absicht, dich oder deinen Stamm zu bedrohen oder zu unterwerfen.“
„ Warum sollte ich das glauben. Du lügst, um meinem Volk meine starke Führung vorzuenthalten. Wahrscheinlich, damit dein Volk uns leichter besiegen kann. Deine Worte steigern meine Entschlossenheit nur noch. Ich werde die Stammesführer töten. Dich und deinen Begleiter aber werde ich verschonen und ihr werdet mir alles über euer Volk erzählen. Vielleicht bin ich dann gnädig und schenke auch ihr“, er zeigte auf Bevan, „das Leben.“
An seine Krieger gewandt, gab er den Befehl: „Ergreift die Anführer. Tötet sie auf mein Zeichen hin.“
Sie hatte versagt. Sein Geist war so von Machtgier vergiftet, dass ihn wohl nichts würde umstimmen können. Jetzt würde ihnen nur noch ein Wunder helfen. Angstvoll drehte sie sich zu Rihnall um. Der zog sie fest an sich, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.
Während Süylin auf den Anführer eingeredet hatte, hatte er das Gefolge aufmerksam gemustert. An diesem waren ihre Worte nicht spurlos vorübergegangen. Was immer der Häuptling seinen Kriegern erzählt hatte, um diese Unternehmung zu rechtfertigen, das, was sie nun erfuhren, ließ sie daran zweifeln. Als Süylin davon gesprochen hatte, dass nur eine friedliche Einheit der Stämme gegen die fremden Völker bestehen konnte, hatten einige sogar beifällig genickt. Daher zögerten sie nun, die anderen Anführer zu ergreifen. Schließlich aber fanden sich doch einige Männer, die die drei zwangen, niederzuknien und auf ihre Hinrichtung zu warten.
Rihnall bemerkte Süylins Verzagtheit und flüsterte ihr ins Ohr: „Keine Angst, noch ist nicht alles verloren. Schau, die Krieger zweifeln.“
Ein Mann aber redete währenddessen auf seinen Anführer ein. Rihnall erkannte ihn wieder, es war der älteste Sohn des Mannes. Offenbar war er nicht der gleichen Meinung wie sein Vater.
Als der Bergstammführer den Befehl zur Enthauptung Warfs gab, war es sein Sohn, der „Halt“ rief. Die Krieger, die ohnehin gezaudert hatten, kamen dieser Aufforderung nach und ließen von Warf ab.
Noch bevor der Anführer seine Anweisung wiederholen konnte, steckte ein Messer in seinem Bauch. Sein Sohn hatte es ihm hineingestoßen. Während der Mann im Sterben lag, gab sein Sohn, sein legitimer Nachfolger, die Order, die Gefangenen sofort loszulassen.
Kaum war sie frei, rannte sie los, um bei ihrem Vater Schutz zu suchen. In dem Augenblick als sie ihn erreichte, verließ sie ihre Kraft. Ihre Beine gaben nach und sie lag schluchzend in seinen Armen. Alle Schrecken des Durchlebten brachen über sie herein. Sie
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