Welten-Reise
sie Donkeys Fähigkeiten wieder magisch steigern würde, so daß er sie auf flinken Füßen tragen konnte. Aber Ivy hatte beschlossen, noch eine weitere Nacht auf der Straße zu verbringen, da sie sich vor dem fürchtete, was bei ihrer Ankunft geschehen könnte.
Außerdem hatte sie bemerkt, daß Grey und Donkey allmählich müde wurden, was nur normal war. Denn sie hatte die beiden schon einmal magisch verstärkt, und während Donkey sie trug, hatte Grey die Kobolde vertrieben. Jetzt mußten sie sich endlich einmal ausruhen, dazu hatten sie bisher noch zu wenig Gelegenheit gehabt.
»Es gibt einen schönen großen Schutz-Baum hier in der Nähe«, sagte sie fröhlich. »Laßt uns dort die Nacht verbringen.«
Die beiden waren sofort einverstanden. Vielleicht hatten sie ihre eigenen Bedenken wegen der Begegnung auf Schloß Roogna.
Der Schutz-Baum lag etwas abseits des verwunschenen Pfads. Er war selbst mit einem Zauber belegt, um vor Reisenden sicher zu sein, und er diente als Zwischenstation. Er wurde auch als Z u fluchtsort von jenen verwendet, die bei Königin Irene in Ungnade gefallen waren. Dort blieben sie so lange, bis sich ihr Herz wieder erweichte, was gewöhnlich nicht so schnell geschah. Ivy hatte hier schon mehr als eine Nacht verbracht, wenn sie sich zu weit vorg e wagt hatte, und Dolph war schon oft hierhin verbannt worden, wenn er versucht hatte, nachts in Nadas Raum zu spähen. Er hatte sich in so etwas Kleines wie eine Spinne verwandelt und versucht, durch eine Ritze zu kriechen, in der Hoffnung, sie in Dessous zu erwischen. Tatsächlich hatte er sie schon sehr oft vollkommen ohne Kleidung gesehen, noch bevor sie das erste Mal nach Schloß Roogna gekommen war. Aber nun war sie Gast des Hauses, und er war minderjährig, und somit war der Anblick ihrer Dessous streng verboten. Ivy fand die ganze Sache ausgesprochen komisch, aber ihre Mutter hatte einen anderen Sinn für Humor.
Der Baum war gigantisch, mit einer riesigen, weit ausladenden Krone, die vor Regen schützte, und großen knorrigen Ästen, die sich ungemein gut als Kissenstütze verwenden ließen. Die Temp e ratur in seiner näheren Umgebung blieb ausgeglichen: nachts etwas kühler und tagsüber etwas wärmer, aber sie schwankte nicht so sehr wie in dem Wald ringsum. In der Nähe gab es zahlreiche Bäume mit Früchten und Nüssen und andere eßbare Pflanzen wie Zuckerrüben oder Honigwurzel. Es war ein wunderbarer Platz, um zu kampieren, solange man nicht zur Strafe hierher verbannt wo r den war.
Sie suchten Nahrung für das Abendessen, schnitten sich dann einige Kissen vom Kissenbusch und kletterten in die Nischen ve r schiedener Äste. Unglücklicherweise war kein Ast groß genug, um zwei Leute zu tragen, aber sie hatten es in ihren Einzelunterkünfte auch sehr gemütlich. In stillschweigendem Einverständnis spr a chen sie nicht über den folgenden Tag, er würde schon schnell genug Wirklichkeit werden. Und so kam es, daß sie, als der Tag dann wirklich gekommen war, in etwas angespannter, aber guter Verfassung Schloß Roogna erreichten. Grey und Donkey waren sauber und ausgeruht, und Ivy hatte sich die Haare mit einer Bü r ste vom Flaschen-Bürsten-Busch so gut es eben ging durchgebü r stet. Nun würde geschehen, was geschehen mußte.
Sie wurden mit Sicherheit erwartet. Ivy wußte, daß ihr kleiner Bruder ihren Weg schon so lange auf dem Wandteppich verfolgte, wie sie Xanth auf die richtige Weise erreicht hatte. Es mochte ihn vielleicht einige Zeit gekostet haben, sie ausfindig zu machen, da sie schon so lange von Xanth fort gewesen war, und er hatte wah r scheinlich auch nicht sofort gewußt, wo genau er nach ihr suchen sollte. Aber sicherlich hatte er sie innerhalb eines Tages gefunden. Wäre es ihnen also nicht selbst gelungen, die Kobolde zu überl i sten, hätte er ihnen geholfen.
Warum wohl hatten ihre Eltern nicht schon früher einen Trupp ausgesandt, um sie zu holen? Ivy wußte warum: Sie hatten sie mit Grey zusammen gesehen und wollten sie eine Weile beobachten. Es war ihr bewußt, daß sie beobachtet wurden, als sie Grey neckte und ihn leidenschaftlich küßte. Sie wollte ihnen keinen Zweifel daran lassen, welcher Art ihre Beziehung zu Grey war.
Dies war das erste Mal, daß sie ihre Eltern wirklich herausforde r te, indem sie sich mit einem Mundanier einließ. Es war Grund genug, Schockwellen eines Skandals auszulösen, die Schloß Ro o gna in den Grundfesten erzittern ließen und Xanth in Länge und Breite durchbebten.
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