Welten - Roman
vielleicht Kontakt zu jemand in ihrer Branche hätten haben können.
So überprüfte ich das Konto, registrierte den Geldeingang und wartete auf einen Anruf, der nie kam. Was kam, war ein Kurierbrief von C. Sequorin in Taschkent, Usbekistan, mit einem Haufen seltsamer Namen, anscheinend Codes. Diese sollte ich nach Möglichkeit auswendig lernen oder ansonsten das Schreiben sicher aufbewahren. Ich legte es in meinen Safe. (Ich engagierte einen Privatdetektiv in Taschkent, weil man so was in der wunderbaren neuen globalisierten Welt machen kann, sofern man über haufenweise Kohle verfügt. Nichts. Wieder ein verlassenes Büro. Auch kein Glück beim Aufspüren der Quelle für das Geld auf den Kaiman-Inseln. Natürlich nicht. Wenn ganze Staaten in Steuerparadiesen nicht fündig werden, wie sollte ich es dann schaffen? Genau genommen sogar eine verdammt beruhigende Erkenntnis.)
Eine Woche nach dem Brief mit den Codes traf ein gepolsterter Umschlag von der Größe und dem Gewicht eines Ziegels ein. Es war eine schwarze Schachtel aus dickem Plastik, in der sich eine Stahlkassette befand. Diese hatte eine Art Einstellscheibe mit sieben konzentrischen Ringen aus verschiedenen Metallen um einen leicht konkaven Knopf in der Mitte. Die Ringe fühlten sich glatt an, und wenn man genau hinsah, waren viele Punktmuster zu erkennen, die aber anscheinend nichts bewirkten. Um die Mitte der Kassette verlief eine nicht einmal haarfeine Linie,
wo man sie vielleicht öffnen konnte, wenn man die Ringe genau richtig einstellte wie bei einem Kombinationsschloss. In einer beiliegenden Nachricht forderte mich Mrs. Mulverhill auf, die Metallkassette an einem sicheren Ort aufzubewahren und sie nur jemandem auszuhändigen, der die Codes aus dem Brief kannte.
Ich versuchte, sie von einem Kumpel röntgen zu lassen, der bei einem Flughafensicherheitsdienst arbeitete, aber die Kassette wollte davon nichts wissen. Mein Freund dachte sogar, dass seine Maschine kaputt war, weil das Ding überhaupt nicht auf seinem Schirm auftauchte. Noch schräger ging es wohl kaum. Wenn man sich aus diesem Zeug eine Knarre bastelte, konnte man schwer bewaffnet in jedes Flugzeug der Welt reinspazieren. Als mich mein Kumpel auf diesen Umstand hinwies, deutete ich an, dass es wohl für uns beide ziemlich ungesund wäre, etwas über diese Geschichte verlauten zu lassen. Kaum hatte ich ihm das gesagt, erhielt ich eine äußerst knappe SMS mit der Aufforderung, die Kassette nie wieder zu röntgen und alles zu unterlassen, was darauf zielte, ihren Inhalt zu erforschen.
Ich sollte sie nur sicher aufbewahren. Das war alles.
Wie hatten sie von meiner Durchleuchtungsaktion erfahren?
Jedenfalls schmiss ich das blöde Ding zusammen mit dem Brief in das hinterste Safefach und tat alles, um beides zu vergessen. Ohne Erfolg.
Monate und Jahre vergingen. Nach Mr. Ns Rückzug im Jahr 2000 verließ ich seine Firma und arbeitete zusammen mit etwa zehn anderen Leuten in einem ultrasmarten Bau in Mayfair als Hedgefonds-Händler. Am Tag bevor in New York die Türme einstürzten, verließ ich die Stadt und war mir nie sicher, ob ich mit knapper Not entronnen war oder
nicht vielleicht trotz des ganzen Wahnsinns, der dort abging, etwas Lohnenswertes verpasst hatte, wovon ich später hätte erzählen können, du verstehst schon. Jedenfalls war ich an einem Strand in Trinidad, fernab vom Geschehen. Seit Ed im Ruhestand war, sah ich die Noyces kaum mehr, obwohl sie mich noch jahrelang nach Spetley Hall einluden.
Ich scheffelte weiter Geld. Setzte etwas davon in den Sand, als ich zusammen mit zwei Kumpels ein Restaurant eröffnete und alle drei glaubten, dass einer der anderen schon wusste, was er tat. Man lernt eben nie aus. Ich und ein halbes Dutzend andere Jungs trennten uns von Tangible Topiary (so hieß die Hedgefonds-Firma) und gründeten ein paar Häuser weiter ein neues Unternehmen mit dem Namen LMF. Im Handelsregister und auf den Kaiman-Inseln war es nur unter diesem Kürzel eingetragen. Leuten, die es unbedingt wissen wollten, erzählten wir, dass die Buchstaben für etwas wie Licensed Market Finance oder Leading Market Future standen. Aber in Wirklichkeit war damit Leck mich fett gemeint wie in »Leck mich fett, schaut mal, wie viel Geld wir verdienen«.
Unser Büro in Mayfair war sogar noch größer als das von TT, natürlich mit Absicht. Im Keller hatten wir einen Pool, im Speicher ein Fitnessstudio und dazu einen eigenen Raum mit Rundummonitoren für Fahr- und Ballerspiele. Und
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