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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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immer nach, wir hatten das Ende des Hangs noch nicht erreicht. Ich rief ihren Namen, und unmittelbar vor der Straße drehte sie sich mit wehenden braunen Haaren halb zu mir um. Der Lastwagen erfasste sie frontal und schleuderte sie als wirbelnde Puppe unter einen entgegenkommenden Bus, der über sie hinwegpolterte wie über eine Bremsschwelle. Ich stoppte so ruckartig an einer Ecke, dass mir die Sonnenbrille herunterfiel. Scheiße, was war hier eigentlich los?
    Zögernd machte ich mich mit hoch erhobener Machete wieder an die Verfolgung des Caudillos. Ich musste den Kopf schütteln, um das deutliche Gefühl loszuwerden, gerade noch einmal die jüngste Vergangenheit durchlebt zu haben.

    Sie wollten eine Machete, also sollten sie auch eine Machete bekommen. Anscheinend war sie von historischer Bedeutung. Jedenfalls würde es jetzt keine triumphale, wenn auch unverdiente Rückkehr mehr geben. (Frage nicht. Oder doch. Die Antwort lautet: eine korrupte Presse, die Machenschaften einer ausländischen Macht und reiche Familien, die Gauner und Richter bestechen - mit genügend Macht und Geld lässt sich jede Inkompetenz und Schuld wegwaschen.) Aber nicht bei diesem Exemplar in dieser Version der Welt. Noch immer zog sich die Bahn bogenförmig durch das Gras. Sie war jetzt etwas schmäler, weniger verschwenderisch. Anscheinend hatte sich der Caudillo ein wenig besonnen und versuchte jetzt, zwischen den Halmen durchzuschlüpfen, statt sie nur niederzutrampeln. Ich beschleunigte auf normales Gehtempo, während ich mir noch immer den Kopf darüber zerbrach, was es mit diesen merkwürdigen Rückblenden auf sich hatte.
    Zuerst fand ich die scharlachrote Schärpe, die sich wie eine zu glatte Blutspur über das flachgedrückte Gras ergossen hatte. Und dann den Mann, der mit wogender Brust und in Tränen gebadet dalag, die Hose auf Dreiviertelmast, pfeifend vor Atemlosigkeit, die Hände flehend erhoben wie zum Gebet, während er mir immer höhere Summen anbot, damit ich ihm das Leben schenkte.
    Ich holte zu einem möglichst ökonomischen Rückhandschlag mit der Machete aus, da mir das Gras kaum Platz ließ. Doch der Schweinehund wälzte sich im letzten Moment zur Seite und hielt plötzlich einen winzigen Zweischussrevolver in den bebenden Händen, der direkt auf mein Gesicht zielte. In diesem kurzen Augenblick hatte ich Gelegenheit zu der Erkenntnis, dass die zwei Läufe der Waffe
breit genug waren, um in jeden bequem einen kleinen Finger hineinstecken zu können, und dass die Entfernung lachhaft gering war.
    Wie langsam sich mein Arm zu bewegen schien, als er die Machete nach unten sausen ließ. Reichte die Zeit noch für einen Sprung? Nicht ganz. Aber ich konnte damit beginnen. Man wusste ja nie.
    Also waren diese Rückblenden, die keine richtigen und doch mehr als Rückblenden waren, eine Vorahnung gewesen. Eine Warnung, dass hier etwas nicht stimmte, dass etwas schiefzugehen drohte. Wie dumm von mir, dachte ich, mein Unterbewusstsein zu ignorieren, doch zugleich fiel mir ein, dass ein einfacher, starker Drang, dem weibisch winselnden Caudillo mit einer großkalibrigen Schusswaffe zu Leibe zu rücken, ein simplerer und deutlicherer Fingerzeig gewesen wäre. Aber sie hatten sich eine Machete gewünscht, und wo wären Leute wie ich, wenn wir uns nicht auf die bequeme Ausrede berufen könnten, nur Befehle auszuführen?
    Es dauerte einfach viel zu lang. Ich glaubte zu hören, wie die Schneide der Machete durch die Luft fegte, und zu spüren, wie sie mit der Spitze mehrere Grashalme streifte, ein Blatt unter Blättern …
    Die Faust des Caudillos, die die Waffe umklammerte, zuckte.
    Es klickte.
    Sonst nichts.
    Entweder die Waffe hatte Ladehemmung, oder sie war nicht entsichert.
    Oder ebenfalls ungeladen - so wie der noch auf der Treppe fallen gelassene Revolver. (Der Mann hatte in der Regierung seines Landes einen entsetzlichen Schlamassel
angerichtet - wie sollte man da von ihm erwarten, dass er mit einer Waffe umgehen konnte?)
    Spielte ohnehin keine Rolle.
    Der Bogen des Krummschwerts traf den flennenden Kalifen erst an einem, dann am anderen Arm, so dass alle vier Knochen durchtrennt wurden und zwei halbe Oberarme samt der Waffe ins Schilf geschleudert wurden. Moment mal -
    Der Hieb in die Gegenrichtung riss dem kreischenden Mann den Kopf ab. Ich sprang bereits ab, wenngleich ich nicht mehr sicher war, ob aus dem seufzenden blaugrünen Gras in Patagonien oder aus der sonnenbeschienenen Sumpflandschaft

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