Weltenende (German Edition)
eisern, hielt ihn schraubstockartig an den Schultern fest. Jonas konnte sehen, dass sie es nicht fassen konnte, dass sie ihn gehen ließ. „Du wirst dich regelmäßig über Funk melden!“, sagte sie zu ihrem Mann.
Jonas war schon an der Tür. Onkel Barney warf ihm eine Öljacke zu und sie eilten zum Stall hinüber, wo Barney mit routinierten Handgriffen den Hänger vom Traktor abkuppelte. Dann fuhr er die riesige Maschine vor die Scheune. Jonas rollte das Tor wieder zu und rannte zum Gatter, wo sich das Spiel wiederholte. Unwillkürlich wanderte sein Blick links und rechts auf die Zweige, die er dort angebracht hatte. Irgendwie überraschte es ihn, dass sie noch da waren, aber es beruhigte ihn auch.
Von den wenigen Metern über den Hof waren Jonas Turnschuhe durchnässt. Sie quietschten leise , als er hinten über die Achse ins Führerhaus kletterte.
„Ein Gewitter ist ja nicht außergewöhnlich zu dieser Jahreszeit, aber ich habe es noch nie erlebt, dass eines drei Stunden über der Insel hängt. Das verdammte Ding müsste längst weiter gezogen sein“, sagte Barney mehr zu sich selbst als zu Jonas.
Der Traktor beschleunigte hart und sie ruckelten durch knöcheltiefes Wasser bis zur asphaltierten Straße. Die Scheibenwischer mühten sich und gaben nur eine begrenzte Sicht auf den Weg frei.
D ie zweieinhalb Kilometer bis zum Hafen zogen sich für Jonas. Ein Traktor war nicht gerade das schnellste Gefährt, aber er konnte es kaum erwarten, als ob ihm die Zeit davonlief. Er war nervös, konnte nicht einmal sagen, was er hier eigentlich tat oder was er zu tun gedachte, nur eines stand fest: er würde etwas unternehmen.
Ludwig s alter Ford bog hinter ihnen auf die Hauptstraße ein. Der rechte Scheinwerfer war defekt. Es war einer der wenigen, die ihr Auto auf der Insel hatten. Die meisten standen in einem Garagenpark in Fermten, schließlich konnte man auf der Insel kaum weit fahren. Über Funk meldete sich Fanny. Sie wollte wissen, ob alles in Ordnung sei und Barney antwortete kopfschüttelnd: „Liebes, wir sitzen noch immer im Traktor. Alles ist bestens.“ Er hängte das Mikrofon zurück an den Haken. „Sie tut gerade so, als wollten wir aufs Meer fahren.“ Jonas konnte es ihr nicht verdenken. Ihm wurde bewusst, dass Onkel Barney sich weit weniger Sorgen machte, als er sollte. Sicher wusste er nicht, was Jonas wusste, und sicher spürte er auch nicht dieselbe Bedrohung, die von diesem Sturm ausging, doch irgendwie musste Jonas dafür sorgen, dass ihm nichts passierte. Ein Blitz zuckte über den Himmel und nahtlos folgte ein ohrenbetäubender Donner.
Im H afen bot sich ihnen ein Bild des Grauens. Die schwache Notbeleuchtung, die von dem Generator des einzigen Feuerwehrwagens von Rabensruh gespeist wurde, zeigte ein lichterloh brennendes Boot und in der Brandung drei querliegende Yachten, die langsam von den tobenden Wassermassen zermalmt wurden. So groß, wie die Wellen während eines Wintersturms manchmal wurden, waren sie noch nicht, dennoch reichten sie, um die dünnwandigen Freizeitboote mühelos zu zertrümmern. Keines war dafür gebaut in der Brandung zu liegen.
Barney stoppte vor einer Gruppe Segler, die schaulustig am Ufer standen und vermutlich zu der Schar Booten im Hafen gehörten, denen nichts passieren konnte. Das Hafenbecken selbst quoll aus allen Nähten, nicht einmal ein Beiboot hätte noch durch die Zufahrt gepasst.
„D u wärst besser zuhause geblieben“, sagte Onkel Barney.
Jonas stieg aus. Herbert Fahrnhemm und Norbert Weilacher, die beiden Fischer der Insel, kamen zu ihnen. „Fahr den Traktor auf den Steg raus!“, rief Norbert. „Wir ziehen die beiden da vorne weiter raus. Du hast doch eine Winde?“ Barney Blick folgte Noberts Finger, der auf zwei sich langsam dem Ufer nähernden Booten zeigte. „Es wird besser sein, wenn du hier wartest!“, rief Onkel Barney Jonas zu, der ihn kaum hörte.
Jonas suchte nach Ludwig, dessen Wagen hinter ihnen gehalten hatte, aber er war schon ausgestiegen und zwischen den Seglern verschwunden. Der Motor des Traktors heulte auf.
Jonas war schleierhaft, wie sein Onkel zwei Leinen zu den Booten ausbringen wollte, und selbst wenn es ihm irgendwie gelingen würde, durfte der Wind nicht weiter drehen, sonst würden die Yachten gegen den Schutzwall aus Betonklötzen gedrückt. Aber wie auch immer, da draußen auf dem breiten Molenkopf war er einigermaßen sicher.
Jonas Blick fiel auf Fahrnhemms Sohn Georg, der in einem vom Regen durchsichtig
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