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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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Arme auf den Boden drückte. „Du solltest dich ein bisschen entspannen. Wir haben Urlaub“, sagte er.
    „So entspanne ich mich bestimmt nicht“, antwortete Jonas und wehrte sich.
    „Dieses Jahr wird es schwieriger für dich. Ich habe trainiert.“ Der kleine Altersunterschied hatte immer dafür gesorgt, dass Jonas gewann.
    Doch v iel zu schnell kam Marie zurück und befahl sie auseinander. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn sie miteinander kämpften, auch nicht wenn es aus Spaß geschah.
    „Das werden wir noch klären“, sagte Carl und stand auf. Jonas schüttelte den Sand von seinen Kleidern. Er lächelte und zum ersten Mal, seit er wieder auf Rabensruh war, war es ein unbefangenes Lächeln, das verschmitzte Grinsen eines Sechzehnjährigen, dessen erster Urlaubstag angebrochen war.
     

KAPITEL IV
    Ein böiger Wind aus nordwestlichen Richtungen blies mit mehr als sechs Beaufort über die Insel. Der Wetterdienst meldete in Gewitternähe Sturmböen mit Hagelschlag und Graupelschauern. Tante Fanny, Onkel Barney und Jonas brachten den alten Herbert, Lotte und das Fohlen und die anderen Tiere in den Stall und sie verrammelten Scheune und Heuboden, wo es sonst im Sommer immer eine offene Tür gab. Die hinteren Verschläge mussten der Größe wegen gegen den starken Wind gesichert werden, sonst drohten sie aus den Angeln gerissen zu werden. Onkel Barney holte die Holzbalken vom Boden und hängte sie mit Jonas Hilfe in die eigens dafür montierten Haken. Carl war auf dem Weg zum Kaufmann, um vorbestellte Einkäufe abzuholen.
    Sobald Barney Jonas aus dem Augen ließ, machte er sich daran den Weidezaun abzulaufen. Alle acht Schritt pinnte er einen kleinen Zweig ganz unten an der Grasnarbe ans Holz, sprach leise die Weiheformel in der alten Sprache und ging schnell weiter. Er hatte nur einen Moment gebraucht, um sich an den Spruch zu erinnern, obwohl er das Buch Noldret, so wurde es in der anderen Welt genannt, nur ein einziges Mal gelesen hatte. Die Seiten hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt wie ein Brandzeichen.
    Doch er brauchte viel länger als erwartet und er war noch nicht fertig, als Tante Fanny ihn rief, um die Blumentöpfe mit Rosmarin, Thymian, Hortensien und Margeriten aus dem Hof in den Stall zu räumen. Sie fürchtete, die Stöcke würden Schaden nehmen, falls es Hagel geben würde. Von Westen näherte sich beharrlich eine Wolkenwalze und gewann von Minute zu Minute an Bedrohlichkeit, wie auch der Wind zunahm. Es lag etwas in der Luft, etwas Ungutes, dachte Jonas, und es war mehr als nur ein Gewitter.
    Als er in der Südostecke des Hofes die Zweige anbrachte, nicht weit von Tante Fannys Kräutergarten, stürzte Ludwig aus dem Wald. Schweiß stand auf seiner Stirn und sein Atem ging rasch. Auf den Ärmeln seiner Sommerjacke hatte sich gelber Blütenstaub gesammelt. „Bist du fertig?“, zischte er ohne Gruß.
    „Nei n, sonst wäre ich ja nicht hier“, antwortete Jonas.
    „Du musst fertig werden !“ Ludwigs Tonfall war schroff und bestimmend.
    „Nur noch das Stück am Wald, dauert nicht mehr lange.“
    „ Siehst du die Wolken im Westen?“
    „Die sind nicht zu übersehen “, entgegnete Jonas. Auf Rabensruh achtete Jonas schon aus Gewohnheit auf den Westhimmel. An den meisten Tagen im Jahr kam das Wetter aus dieser Richtung. „Wir haben alles nicht niet- und nagelfeste ins Haus und die Scheune geräumt. Onkel Barney glaubt, es wird Hagel geben.“
    „ Und die im Osten? Hast du die auch gesehen? Die kommen ebenfalls auf uns zu.“
    „Das g eht doch gar nicht“, antwortete Jonas prompt. Er versuchte an den Bäumen vorbei den Himmel zu sehen, aber viel erkennen konnte er nicht, weil Laub- und Nadeldach viel zu dicht waren.
    „ Das ist kein normaler Sturm“, erklärte Ludwig.
    Jonas drehte sich wieder um. „Was können wir tun?“, fragte er nervös.
    „ Du wirst im Haus bleiben. Trink einen von Fannys Kräutertees und rühr dich nicht von der Couch oder aus dem Bett, verstanden?“
    Jonas wollte protestieren, aber Ludwig wartete auf keine Antwort, sondern verschwand so schnell wieder im Wald, wie er aufgetaucht war. Jonas schaute noch einmal auf den Himmel und beeilte sich. Hier hinter dem Haus brachte er die Zweige an den Baumstämmen an, vorzugsweise an Stellen, wo man sie nicht gleich sah; im Haselnussgebüsch, zwischen zwei Ästen, ein wenig höher oder bei der dicken Eiche ganz unten zwischen den Wurzeln des mächtigen Baums.
    Carl tauchte auf, erschreckte ihn beinahe zu Tode.

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