Weltenende (German Edition)
Deck mit einem Anker hantierte. Jonas bezweifelte, dass sie ihn lange halten konnten, aber mit etwas Glück würde es genügen.
Lu dwig entdeckte ihn. Er stand unweit bei einer Familie, versuchte ein heulendes kleines Mädchen zu beruhigen, während ihre Mutter mit Tränen im Gesicht daneben stand. Er nickte ihm zu und deutete mit einer strengen Geste an, dass er jetzt verschwinden sollte. Abermals bellte der Hund, aber dieses Mal leiser, als wäre er weit entfernt, und auch das deutete Jonas als gutes Zeichen. Doch damit irrte er. Er suchte Barney, der draußen auf dem Molenkopf beim Traktor stand und lief zu ihm. Zwei Leinen gingen von der Winsch zu zwei Booten in der Bucht. Auch rechts im Hafenbecken wurden noch weitere Leinen gelegt, um die dicht an dicht liegenden Boote zu entlasten. Ein verklinkertes Dinghi mit Außenbordmotor preschte von Molenkopf zu Molenkopf und verholte die Enden, die anschließend über Winschen auf den Segelyachten dichtgeholt wurden.
„Wo warst du denn?“, rief Onkel Barney.
„Nur dahinten“, antwortete Jonas.
„Du bist dreckig. Wo ist deine Jacke?“
„Ich …“ , Jonas stotterte, „habe ich dahinten hängen lassen. Ich bin ausgerutscht ... war ganz nass“, stotterte er.
„Hol sie her! “
Schon gleich mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend lief Jonas über die Mole zurück, aber je weiter er sich den sanitären Hütten näherte, desto schlechter wurde dieses Gefühl. Eine Gänsehaut kroch ihm über den Rücken und er fröstelte.
Eine Handvoll Tee nager rannte an ihm vorbei zum Strand. Verzweifelt suchte er nach Georg, aber sehen konnte er ihn nicht. Unwillkürlich griff er sich ans linke Handgelenk. Er spürte das Emblem unter seiner Haut, wie es kalt und brennend nach außen drückte. Irgendjemand in der Nähe gehörte zur Ombrage oder ... Von links hörte er einen Schrei, eine Frau, die in einem tropfnassen, eher an einen Sack erinnernden Jogginganzug steckte, war gestürzt. Ein paar Segler kümmerten sich um sie. Jonas gab sich einen Ruck und ging weiter. Es regnete noch, aber merklich schwächer als noch vor einer halben Stunde. Der Betrieb bei den Klohäuschen löste sich allmählich auf. Alle glaubten, dass das Schlimmste überstanden war. Es war nur ein Schatten, den Jonas ausmachte, genau zwischen dem Waschhäuschen und den Verschlägen mit den Müllcontainern. Von der Notbeleuchtung fiel nicht viel Licht nach dort hinten, aber … Jonas zuckte zusammen. Zwei rotglühende Punkte, dunkelrot wie glimmende Kohle blickten ihn an. Ein Mann mit einem Kulturbeutel unter dem Arm lief genau darauf zu. Er schaute in die richtige Richtung, doch er zögerte nicht. Er sah nicht, was Jonas sah. Jonas hob den Arm, wollte ihn warnen, rief laut, er solle zurückgehen, aber der Mann hörte ihn nicht oder reagierte einfach nicht - wahrscheinlich fühlte er sich nicht einmal angesprochen -, stattdessen verschwand er. Es ging unglaublich schnell. Ihm blieb nicht einmal Zeit zu schreien. Er war einfach von einer auf die andere Sekunde ins Nichts verschwunden und Jonas hörte ein fleischiges Schmatzen, das in seinem Kopf hallte wie ein Echo in den Bergen.
Er drehte sich um, suchte Ludwig, aber im Grunde spielte es keine Rolle mehr. Es wusste, dass jede Hilfe für den Mann zu spät kam.
Er ging zurück zu Onkel Barney und dem Traktor, wo er in Sicherheit war. Die Jacke war ihm egal. Er würde morgen beim Hafenmeister danach fragen.
KAPITEL VI
Der Tag vor der Vollmondnacht begann mit einem grauen Himmel, einem spartanischen Frühstück und sehr viel Arbeit. Jonas und Carl fegten den Hof und brachten mit Barney und Fanny die Dutzenden Blumen- und Kräutertöpfe wieder ins Freie. Nachbarn kamen vorbei, fragten, weil Strom und Telefon immer noch nicht wieder funktionierten, ob alles in Ordnung sei. Sie hörten, dass Robert Santers Scheune vom Wind abgedeckt worden war, dass auf Marots Hof ein Hänger von einer umgestürzten Linde schwer beschädigt und dass im Ort eine Fensterscheibe eingedrückt worden war. Mit Abstand die größten Schäden aber hatte es bei den Urlaubern und deren Booten gegeben, doch da gab es nichts Neues, nur dass bald mit den Aufräumarbeiten begonnen werden sollte. Jonas ging der Mann nicht aus dem Kopf, der Opfer des Höllenhunds geworden war, doch Vermisste gab es offiziell noch keine, bis jetzt.
Carl war noch immer beleidigt, dass er nicht hatte mitgehen dürfen. Er wollte zu Hayeks Schwitzhütte, schon um Barney und Fanny, die ihn so sehr mit
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