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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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gewordenen T-Shirt auf dem Pier stand. Er war noch breiter geworden, als Jonas ihn in Erinnerung hatte; früher hatte er Fußball gespielt, drüben in Fermten, war sogar ganz gut gewesen, wenn man den Pressemeldungen von damals Glauben schenken mochte; auch andere Vereine hatten sich für ihn interessiert, doch daraus geworden war nichts. Georg drehte sich um. Sein Blick fiel direkt auf Jonas und es war ein breites Lächeln in seinem Gesicht. Es war nur zu gut zu sehen, wie ihm das alles gefiel.
    Jonas blickte nach oben in den Himmel, wartete bis zum nächsten Blitz und das Schwarz verwandelte sich in ein waberndes Grau aus Wellen und tief dahinjagenden Wolkenfetzen.
    „Was tust du hier?“ Ludwig riss ihn herum. „Ich habe dir gesagt, dass du zuhause bleiben sollst“, zischte er.
    „ Hast du Georg gesehen? Er ist sehr zufrieden mit sich.“
    „Halt dich fern von ihm. Du musst nach Hause gehen, sofort!“
    „Ich muss etwas unternehmen“, entgegnete Jonas kühl.
    Zwei Blitze zuckten in kurzer Folge über den Himmel und der Donner beider vereinte sich ohrenbetäubend. Erschrocken fuhr Jonas zusammen.
    „Geh und setz dich in den Traktor!“ Ludwig eilte in Richtung Strand.
    Jonas ignorierte seine Aufforderung und tappte langsam hinter ihm her. Die Leute standen dicht an der Brandung, manche sogar noch ein paar Schritt in den Wellen, als könnten sie die Boote daran hindern zu zerschellen. Das war nicht ungefährlich, falls sie den Halt verloren … Die meisten aber warteten gleichermaßen schockiert wie schaulüstern unter den Vordächern von Wasch- und Klohäuschen, vermutlich froh ihre eigenen Boote im sicheren Hafen zu wissen.
    Jona s umrundete das erste Häuschen. Auf dem kurzen Stück Wiese bis zur angrenzenden Weide war keine Menschenseele. Er wusste selbst nicht genau, warum er hierher gegangen war, doch vielleicht hatte er hier die nötige Ruhe, um eine Lösung zu finden. Aus der Kandel lief Wasser in breiten Sturzbächen auf die aufgeweichte Wiese. Er zog die Öljacke aus, denn sie behinderte ihn nur, warf sie unter das Dach und schloss die Augen, wartete auf die richtige Eingebung. Im Buch Noldret musste es einen Spruch oder ein Ritual geben, was ihm helfen würde, er musste sich nur erinnern. Jonas atmete tief ein, beruhigte seine Gedanken. Er ließ seiner Intuition freien Lauf, ließ die Seiten vor seinem inneren Auge vorbeiziehen. Wie Traumbilder blätterten sie durch seinen Kopf, schwebten vorüber, manifestierten, wenn er sich konzentrierte, und lösten sich auf, wenn er sie gehen ließ. Da war es. Er hob die Hände gen Himmel und sprach leise die Worte, die ihm von den Seiten voller Runen in Erinnerung waren. Die alte Sprache war ein gutturales Zischen, erinnerte an das Rauschen des Meeres hinter dem Haus und in gewisser Weise auch an den Sturm selbst. Jonas spürte die Wirkung, spürte die Kräfte, die er entfesselte, die durch seine Arme und Beine flossen wie das Blut und ihn verließen. Er wiederholte die Worte, legte noch mehr Kraft und Inbrunst hinein, doch einen Einfluss auf den Sturm bemerkte er nicht. Er wiederholte die Formel ein drittes Mal und ein viertes Mal, aber es half nichts. Erschöpft konzentrierte Jonas sich wieder auf die Erinnerungen, versuchte etwas anderes zu finden, etwas Machtvolleres. Ihm war klar, dass er gegen die Ombrage ankämpfen musste, deren Kräfte vereint viel stärker waren als seine alleine.
    Ein weiterer Blitz zuckte über den Himmel, der Donner folgte unmittelbar und mit dem Wind roch er Ozon und den säuerlichen Geruch verbrannter Erde. Instinktiv hatte er die Hände vor die Ohren gepresst und als der Donner verklungen war und er sie herunternahm, heulte ein Hund. Es war unverkennbar einer der Höllenhunde. Die Verzweiflung, die Angst, der drohende Tod, das alles musste ihn in den Hafen locken. Es war eine Kreatur der Hölle.
    Ludwig kam hinter das Haus gestü rzt. „Was tust du?“, schrie er laut. „Du bringst uns alle in Gefahr!“
    „Ich muss diesen Sturm aufhalten. Siehst du nicht, was passiert?“
    „Das geht nicht.“ Ludwig trat näher. In seinem Gesich t spiegelte sich eine Mischung aus Angst, Panik und Verzweiflung.
    „ Ich weiß nicht, was ich tun soll, aber wir müssen etwas tun“, schrie Jonas zurück.
    „ Einen Sturm aufzuhalten übersteigt deine Kraft. Es geht einfach nicht ... nur ...“, Ludwig schlug die Hände in einander, „vielleicht ...“, er zögerte, „... vielleicht kannst du ihn weiterziehen lassen. Wenn er weiterzieht,

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