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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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entfernten sich. Die Hufschläge übertönten die Geräusche. Jonas schaute nach hinten, aber das Seelenfeuer war verschwunden, stattdessen schlugen hohe Flammen lichterloh aus den Bäumen. Sie trieben die Pferde weiter an, jagten sie über den Strand immer dicht an den Bäumen, wo es am unauffälligsten war.
    Nur zwei Mal stoppten sie in der nächsten Stunde, um sich umzusehen beziehungsweise in die Nacht zu lauschen.
    „Was meinst du, was haben sie mit Malis und Marcus gemacht?“, fragte Carl.
    „Sie brauchen sich über den harten Winter oder die toten Schafe keine Gedanken mehr zu machen.“ Jonas Stimme klang hart und kalt.
    „Wir hätten ihnen helfen müssen.“
    „Carl, wer uns dort verfolgt, ist nicht alleine unterwegs. Glaub mir, ich bin absolut sicher, dass wir nichts für sie hätten tun können.“
    „ Trotzdem“, sagte Carl patzig. Jonas reagierte nicht. „Wie haben sie uns gefunden?“, fragte Carl scharf.
    „ Das war der Typ an der Anlegestelle. Wir hätten unseren Vorsprung auf keinen Fall leichtfertig mit einem Abendessen aufs Spiel setzen dürfen.“
    Carl drehte sein Pferd wieder. „ Wie dem auch sei, der Turm kann nicht mehr weit sein, hoffe ich wenigstens.“
    Jonas ließ sein Pferd weit erlaufen. Er litt an Schüttelfrost und Krämpfen in den Beinen und im Magen und auch wenn er sich das Gegenteil einredete, es wurde zunehmend schlimmer. Es ging zu Ende mit ihm. Das spürte er.
    „ Sie werden uns nicht an den Strand folgen, oder?“, fragte Carl.
    „Die werden bald feststellen, dass wir nicht auf der Straße sind und sie wissen mittlerweile ganz sicher, wo wir hinwollen. Vielleicht ...“, Jonas hielt das Pferd wieder an, „… vielleicht erwarten sie uns längst. Mit diesen beiden Pferden gewinnt man kein Rennen.“
    „ Du meinst sie stehen vor uns am Strand? Wir könnten querfeldein reiten, was aber bei dem Licht schwierig werden wird.“
    „ Nein, sie müssen noch hinter uns sein. So schnell können sie nicht sein“, flüsterte Jonas.
     
    Es war abermals das Seelenfeuer, das sie als erstes sahen. Es lag hell und vor allem hoch oben über dem Meer. Die Küste zog sich darunter in einem langen Bogen dahin, doch um Details zu erkennen war es zu dunkel. Die silberne Mondscheibe war hinter dünnen Wolken verschwunden.
    „Siehst du das ?“, raunte Carl und zeigte mit dem Finger nach vorne.
    Auch Jonas hatte den Lichtpunkt unterhalb des Turms bemerkt. „Ich denke nicht, dass jemand Licht machen würde, der auf uns wartet“, entgegnete er.
    „Wenn er nicht auf uns wartet, was macht er mitten in der Nacht bei saukaltem Wetter am Strand?“, konterte Carl.
    „Vielleicht ein Fischer, jemand der spazieren geht ... wir beide waren doch auch schon oft abends am Strand, auch im Winter“, meinte Jonas ironisch. Es war beiden klar, dass das hier was anderes sein musste.
    „Wir sollten zu Fuß weitergehen. Zu Fuß sind wir leiser und wendiger, können rasch im Wald verschwinden.“ Carl hatte Recht. Im Wald konnte man sich verstecken. Sie stiegen von den Pferden, banden sie an die nächstbeste Kiefer und liefen weiter.
    Je näher sie dem Licht kamen, desto klarer wurde, dass es sich direkt auf sie zubewegte. Es verschwand immer wieder für einen Moment, um kurz darauf erneut aufzutauchen. Sie schätzten die Entfernung auf nicht mehr als hundert Meter, als sie vor einem der unzähligen Felsen, die es jetzt am Strand gab, in den Wald verschwanden. Carl lief dicht hinter Jonas und hielt sich an dessen Anorak, damit er ihn nicht verlieren konnte, und Jonas zählte fünfzig Schritte ab, dann bog er neunzig Grad nach links, um wieder parallel zum Ufer in Richtung Turm zu laufen. In der Theorie war das kein Problem, aber in der Praxis beinahe unmöglich, denn die Bäume standen hier so dicht, dass sie ständig Ästen und Stämmen ausweichen mussten, und in der beinahe völligen Dunkelheit blieb als einzige Orientierung das Rauschen des Meeres.
    „ Ich habe die Orientierung verloren. Bist du sicher, dass wir in die richtige Richtung laufen? Wir müssen wieder zum Strand“, raunte Carl, aber Jonas lief weiter. Er war außer Atem. Sein ganzer Körper schmerzte. Er war wie benommen, laut und kreischend lag ihm von einem Moment zum nächsten das Geschrei von Raben in den Ohren. Ob sie wirklich da waren, wusste er nicht, aber das spielte auch keine Rolle. Das Meer hörte er auch, zumindest zeitweise, aber alle Geräusche schienen sich um ihn zu drehen, ihn narren zu wollen. Er veränderte die

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